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Adventskalender: Das elfte Türchen

Die dritte Adventskranzkerze brennt, die ersten Weihnachtsplätzchen liegen im Teller vor einem, der Tee zieht auf dem Stövchen ... und draußen scheint sogar ein bisschen die Sonne, was will man an einem Sonntagnachmittag denn mehr? Geeeenau. Das elfte Türchen wurde noch nicht geöffnet! Jetzt aber mal los ...

Dezember 2011

Von: Prof. Dr. Tanja G. Baudson


Die dritte Adventskranzkerze brennt, die ersten Weihnachtsplätzchen liegen im Teller vor einem, der Tee zieht auf dem Stövchen ... und draußen scheint sogar ein bisschen die Sonne, was will man an einem Sonntagnachmittag denn mehr? Geeeenau. Das elfte Türchen wurde noch nicht geöffnet! Jetzt aber mal los ...

Cole's Axiom: The sum of the intelligence on the planet is a constant; the population is growing.

(Übersetzung: Die Summe der Intelligenz auf dem Planeten ist eine Konstante; die Bevölkerung wächst.) Hach, da steckt viel an assoziativem Material drin. Angefangen von der Normierung von Intelligenztests – dem zufolge werden die Ergebnisse von Intelligenztests kontinuierlich neu adjustiert, sodass der Durchschnitt immer bei 100 mit einer Standardabweichung von 15 liegt ... okay, das ist schon ein bisschen statistische Taschenspielerei, wenn man die Entwicklung der Intelligenz über die Zeit betrachten will. 1987 entdeckte James R. Flynn (übrigens Politologe und kein Psychologe), dass die Intelligenz der Bevölkerung in den letzten Generationen kontinuierlich zugenommen hatte – Datengrundlage waren größtenteils IQ-Testergebnisse von jungen Männern in 14 Ländern, die im Rahmen der Tauglichkeitsuntersuchung für den Wehrdienst getestet worden waren; das ergibt schön große und auch recht repräsentative Stichproben. Aber auch andere Gruppen (z.B. Schulkinder) waren vertreten. Teilweise waren die Tests (insbesondere abstrakte Matrizentests, um kulturelle Einflussfaktoren zu minimieren; aber auch sprachlastigere Verfahren wurden in die Analysen mit einbezogen) in dem untersuchten Intervall nicht oder kaum verändert worden, was einen direkten Vergleich erlaubt. Flynn fand nun heraus, dass insbesondere die so genannte fluide Intelligenz – sprich, das logische Schlussfolgern, das weniger von kulturellen Faktoren abhängt als beispielsweise sprachliche Begabung – den stärksten Anstieg zeigte. Jedoch zeigt sich Flynn misstrauisch gegenüber den Implikationen seiner Daten: Seiner Ansicht nach – und die ist recht kontrovers! – erfassen die Matrizentests allenfalls etwas, das mit Intelligenz zusammenhängt (die Fähigkeit, abstrakte Probleme zu lösen, die von der Realität weit entfernt sind – allenfalls ein schwacher kausaler Faktor), aber keineswegs Intelligenz direkt. Einen Hinweis auf die Korrektheit seiner These sieht er unter anderem darin, dass die Anzahl derer, die herausragende Leistungen erbracht haben, keineswegs im selben Maße gestiegen ist wie die Ergebnisse der IQ-Tests (auch da könnte man in Anlehnung an den soziologischen Ansatz streiten, inwieweit eine solche Vielzahl von Genies überhaupt gesellschaftlich wünschenswert wäre, verlöre die intellektuelle Elite dadurch doch ein Distinktionsmerkmal ...).

Inzwischen gibt es übrigens auch empirische Hinweise darauf, dass der Flynn-Effekt in den Industrienationen wieder rückläufig zu sein scheint. Für diejenigen, die Lust haben, mehr zu lesen, als der Platz für diesen Artikel hergibt, habe ich die entsprechenden Studien unten verlinkt – die gibt es kostenlos im Netz. Viel Spaß dabei!

 

Literatur: