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Halbjahreszeugnis und Hochbegabte

Es ist soweit: Die Halbjahreszeugnisse kommen und für den hoch begabten Till, der die 7.Klasse eines Gymnasiums besucht, wird es einige 4er und auch die ein oder andere 5 geben. „Till kann nicht hoch begabt sein, denn er kommt bei mir in Mathematik nicht über eine 4 hinaus.“ So die Worte seines Lehrers beim letzten Gespräch im vergangenen Dezember.

Januar 2009

Von: Götz Müller


Es ist soweit: Die Halbjahreszeugnisse kommen und für den hoch begabten Till, der die 7.Klasse eines Gymnasiums besucht, wird es einige 4er und auch die ein oder andere 5 geben. „Till kann nicht hoch begabt sein, denn er kommt bei mir in Mathematik nicht über eine 4 hinaus.“ So die Worte seines Lehrers beim letzten Gespräch im vergangenen Dezember.

Im Grundsatz hat er damit auch nicht unrecht. Das Grand der Hochbegabten funktioniert im akademischen Kontext gut. Ob deutsche oder internationale Studien zum Thema Hochbegabung – hier sind die Aussagen klar und trotz größter Bemühungen verschiedener Experten, verschiedene Aspekte in Zweifel zu ziehen, wohl auch standfest. Und trotzdem: Die Beratungsanfragen zu Hochbegabung steigen nach wie vor; immer lauter wird die Frage, ob nun aufgrund der "Verwässerung" von Bildung nicht doch verstärkt Momente der Unterforderung zu Problemen führen können.

Ein besonderer Aspekt in der Arbeit mit hochbegabten Schulversagern verdient meines Erachtens Beachtung, denn hier liegt häufig der Kern des Problems: die Entwicklung des Selbstwerts. Kurz umrissen: In der Entwicklung erfährt das hochbegabte Kind häufig, schneller als andere Aufgaben lösen zu können oder vergleichsweise weniger Anstrengung erbringen zu müssen, um auf das gleiche oder gar bessere Ergebnis zu kommen. Selbstbewusstsein wird aufgebaut, so genannte Selbstwirksamkeitserwartung wächst. Gleichzeitig entsteht ein individuelles Verhältnis zu den Tätigkeiten, je nach dem, welche Bedeutung die Tätigkeit für den Selbstwert hat. Dabei ist auch die Anstrengung zu berücksichtigen, die es zu erbringen gilt, um Erfolg zu haben. Um die Motivationspsychologen zu zitieren: Wofür du nichts tust, das ist auch nichts wert.

Jedenfalls bedeutet dies für Hochbegabte, dass sie bei niederen Tätigkeiten aufgrund eines niederen Anstrengungsniveaus auch wenig Wert für ihren Selbstwert herausziehen (können).

Höhere Tätigkeiten stehen bei Hochbegabten höher im Kurs, sind aber aufgrund des niederen Anforderungsniveaus im schulischen Bereich eher selten. Zu Beginn der Schullaufbahn ist das kaum ein Problem. Die hohen Fähigkeiten, an die auch ein reiches Vorwissen und weiter entwickelte schulische Fertigkeiten gekoppelt sein können, genügen vor Allem in der Grundschule, um mögliche Lücken im Stoff und auch in der Entwicklung höherer Lernstrategien zu kompensieren. Irgendwann aber reichen Sprachwitz, Improvisationskunst und bewährte Saisonarbeit nicht mehr aus. Till ist zum Underachiever geworden.