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Ist Motivation alles?

Wir strengen uns nur dann an, wenn wir motiviert sind: Motiviert, ein Ziel zu erreichen, wenn es erreichbar und wertvoll für uns ist. So legt es uns das „Erwartung-mal-Wert-Modell„ nahe. Und im Bildungskontext ist als pädagogischer Königsweg die so genannte intrinsische Motivation das Maß aller Dinge, für das der Pädagoge zu sorgen hat.

Mai 2012

Von: Götz Müller


Wir strengen uns nur dann an, wenn wir motiviert sind: Motiviert, ein Ziel zu erreichen, wenn es erreichbar und wertvoll für uns ist. So legt es uns das „Erwartung-mal-Wert-Modell„ nahe. Und im Bildungskontext ist als pädagogischer Königsweg die so genannte intrinsische Motivation das Maß aller Dinge, für das der Pädagoge zu sorgen hat. Intrinsisch motiviert ist nur der, der beim Verrichten einer Tätigkeit Freude verspürt, die aus der Tätigkeit selbst heraus entsteht – und eben nicht, weil er dafür in irgendeiner Form dafür be- oder entlohnt wird. Somit fällt schon nahezu alles heraus, was im schulischen Kontext geleistet werden muss. Allein die Tatsache, dass Raum und Zeit fürs Lernen definiert werden, beschränken die zugegeben idealistischen Ansprüche an intrinsisch motiviertes Flow-Lernen (wobei in einzelnen Bereichen und Abschnitten des Schulalltages sicherlich bekannte Flow-Erlebnisse auftreten). Spaß beim Lernen kennen wir in vielerlei Hinsicht: Wenn wir eine bestimmte Systematik erkennen und anwenden können, so ist die Freude groß, denn in uns verstärken Nebeneffekte der Mustererkennung und -anwendung die Tätigkeit, in der wir uns gerade befinden. Ein hervorragender Mechanismus, der neben menschlicher Neugier als Fundament den inneren Trieb zum Lernen als Garant fürs Überleben umfasst und da in uns sitzt. So mag das Addieren zweistelliger Zahlen, das Verfassen von 4-Zeilern oder auch das Lesen von Philosophie-Büchern große Freude bereiten. Wir versuchen hier im Übrigen zwischen einer Prozessmotivation, die sich vornehmlich aus der Freude am Prozess ergibt, und einer Selbstwertmotivation zu unterscheiden, die sich tendenziell aus der Nützlichkeit der Tätigkeit für das eigene Selbstkonzept ergibt. Erwartungs-mal-Wert-Modelle versuchen zu erklären, warum das Addieren von zweistelligen Zahlen den einen motiviert und den anderen nicht: Entweder ist Erfolgserwartung gesenkt („Ich schaffe das nicht„) oder es wird kein bzw. ein niedriger Wert zu geschrieben („Das gibt mir nichts„). Letzteres wäre dann bei Hochbegabten denkbar. Zu klären ist dann nur, warum z.B. beim Lesen eines Comic-Heftes eine hohe Motivation gezeigt wird. Unter der Voraussetzung, dass die Erfolgserwartung gleich ist, muss ein höherer Wert vorliegen. Aber Wert wofür? Greifen wir hierbei die Prozessmotivation (die intrinsische) auf, kann sich hieraus kein zusätzlicher Informationsgewinn ableiten. Ist die Verrichtung der Tätigkeit aus dem Selbstkonzept heraus motiviert, so ließe sich hier grundsätzlich ein Erklärungsansatz finden. Das vorliegende Selbstkonzept muss basale Einstellungen zu Selbstwert beinhalten, die stark an Leistung gekoppelt sind („Nur wer was leistet, ist ein wertvoller Mensch„). In diesem Falle profitiert der Zahlen-Addierer nicht, weil der Prozess Freude bereitet, sondern innere Einstellungen bestätigt werden, die die Leistungsfähigkeit und somit den Selbstwert erhöhen. Wer Comic liest, ist letztlich durch Lustgewinn motiviert – mehr anscheinend nicht. Da der Wert nun äußerst individuell gesetzt wird, kommt der Pädagoge zwangsläufig an seine Grenzen. Hier ein Zahlen-Addierer, da ein 4-Zeiler-Verfasser, ein Seneca-Junior und zuguterletzt noch ein Comic-Leser. Wie gut, dass es Forschung gibt: Studien zeigen, dass Motivation als Prädiktor für schulische Leistungen grundsätzlich überschätzt wird – wenn man die Variable Intelligenz kontrolliert. Der intelligentere Schüler ist grundsätzlich motivierter.