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Mengenlehre

Intelligenz ist das, was der Intelligenztest misst. Nehmen wir an, dass das stimmt. Nicht jeder Intelligenztest aber misst den gleichen Anteil an Intelligenz, sondern es bestehen Unterschiede, so dass verschiedene Tests zwangsläufig verschiedene Ergebnisse liefern. Die Testinterkorrelationen können demzufolge unterschiedlich hoch sein – je nach Schnittmenge. Ich kann in Test A einen IQ von 130 erreichen, in Test B hingegen nur IQ 125. Nun könnten wir mitteln (während ich mich darüber ärgere, überhaupt an Test B teilgenommen zu haben) und hielten wohlwollend aufrundend einen mittleren IQ von 128 fest. Ob das passt?

September 2011

Von: Götz Müller


Intelligenz ist das, was der Intelligenztest misst. Nehmen wir an, dass das stimmt. Nicht jeder Intelligenztest aber misst den gleichen Anteil an Intelligenz, sondern es bestehen Unterschiede, so dass verschiedene Tests zwangsläufig verschiedene Ergebnisse liefern. Die Testinterkorrelationen können demzufolge unterschiedlich hoch sein – je nach Schnittmenge. Ich kann in Test A einen IQ von 130 erreichen, in Test B hingegen nur IQ 125. Nun könnten wir mitteln (während ich mich darüber ärgere, überhaupt an Test B teilgenommen zu haben) und hielten wohlwollend aufrundend einen mittleren IQ von 128 fest. Ob das passt?

Der Laie fragt sich nun, inwieweit denn unterschiedliche IQ-Werte bei ein und derselben Person ermittelt werden können. Das muss ja Humbug sein, Psychologen-Test-Mistkram eben. Ist es nicht: Je nach Konzeption der Testverfahren erfasst das jeweilige bestimmte und eben verschiedene Anteile des Gesamtrepertoires intellektueller Fähigkeiten. Daher darf bzw. muss es unterschiedliche Werte geben. Und: Anders grenzte es ja an ein kleines Wunder, wenn die Komplexität des Denkens in ein Testverfahren hineinpasste. Das dürfte auch nicht sein.

Nun sieht es in der Praxis so aus, dass es in einer soliden Diagnostik bei einer Hochbegabung zur Anwendung mindestens zweier Testverfahren kommen muss. Somit sollten zwei Testwerte zur Verfügung stehen, die zur Bestimmung des IQ-Wertes genutzt werden können. Nehmen wir nun weiter an, dass die angewendeten Testverfahren eine Interkorrelation von .50 haben (was für einige Testverfahren gilt). Wie ist nun der IQ zu bestimmen? Mitteln dürfen wir dann keineswegs!

Nach ROST geben uns die weiteren Gedanken Hilfestellung: „Bei positiven Interkorrelationen der Einzelwerte fällt der „integrierte“ IQ, wenn die einzelnen IQ-Werte jeweils über dem Populationsmittelwert liegen, stets höher aus als ihr arithmetisches Mittel. Dieser Effekt schlägt umso stärker zu Buche, je geringer die Einzelindikatoren untereinander korrelieren.“ (Rost: Intelligenz. Beltz, 2009, S.166). Dies gilt nur, wenn grundsätzliche statistische Voraussetzungen gegeben sind. Somit unterschätzen wir den IQ, wenn wir die Ergebnisse der einzelnen Testverfahren einfach mitteln. Bedauerlicherweise kommt dies in der gutachterlichen Praxis immer noch vor.

Zur Verdeutlichung finden sich hier zwei Beispiele aus der Praxis:

Fall A

Bei der 5;7-jährigen Simone wurden der Snijders-Omen (SON-R 2 ½-7) sowie der Sprachteil des Hannover-Wechsler-Intelligenztest für das Vorschulalter (HAWIVA-III/ hier: Verbal-IQ) durchgeführt. Zwischen den beiden Testverfahren besteht eine Korrelation von r= .48. Anna erreicht in beiden Verfahren einen IQ von 125. Wie hoch ist nun der „integrierte“ IQ?

Für Simone lässt sich festhalten, dass ein deutlich höherer Wert anzunehmen ist: Ihr integrierter IQ liegt bei etwa 133.

Fall B

Der 14;8-jährige Guido unterzog sich einer Untersuchung mittels Hamburg-Wechsler-Intelligenztest (HAWIK-IV) und Culture-Fair-Test (CFT 20-R). Beide Verfahren legen einen IQ von 125 offen. Welcher tatsächliche IQ lässt sich nun bei der Testinterkorrelation von r= .64 errechnen?

Für Guido berechnet sich nun aufgrund der höheren Testinterkorrelation nur ein IQ-Wert 130.


Und nun zurück zum Anfang: Mein anfänglicher Ärger wandelt sich nun in Freude um, denn im oben genannten Beispiel bin ich ja viel intelligenter: Hurra - ich müsste so bei IQ 137 liegen!!!

Bitte lesen: Rost, Detlef: Intelligenz. Fakten und Mythen. 2009. Hilft auch bei anderen Themen ...

 

 

P.S.: Ich danke Mark Dettinger fürs schnelle Mitrechnen ...Smile