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Tierisch intelligent!

Urlaub – und endlich mal wieder Zeit zum Lesen! (Ich hoffe, auch Sie haben Weihnachten und Neujahr entspannt genossen und sind gut im Jahr 2011 angekommen!) Ein Rezensionsexemplar halte ich gerade in den Händen: "Sind Sie noch Katze oder schon Hund?" von Manon García, das noch gelesen werden will. Den Titel fand ich zunächst ein wenig seltsam, erscheinen mir Katzen doch intuitiv intelligenter als Hunde … wie sehen Sie das?

Januar 2011

Von: Prof. Dr. Tanja G. Baudson


Urlaub – und endlich mal wieder Zeit zum Lesen! (Ich hoffe, auch Sie haben Weihnachten und Neujahr entspannt genossen und sind gut im Jahr 2011 angekommen!) Ein Rezensionsexemplar halte ich gerade in den Händen: "Sind Sie noch Katze oder schon Hund?" von Manon García, das noch gelesen werden will. Den Titel fand ich zunächst ein wenig seltsam, erscheinen mir Katzen doch intuitiv intelligenter als Hunde … wie sehen Sie das?

Katzen haben es ja schon gut. Den ganzen Tag machen, was man will, den Menschen, den man gnädig in seine Wohnung aufgenommen hat, nur dann wahrnehmen, wenn das bekannte Ratschen des Dosenöffners ertönt … Angeblich verbringen Katzen etwa 20 Stunden am Tag mit Schlafen; das nenne ich Effizienz! Möglicherweise tue ich den Hunden aber unrecht, die alle an sie gestellten Aufgaben im Großen und Ganzen doch sehr gut bewältigen – Bällchen holen, zum Streicheln herbeikommen, gehorsam das machen, was der Mensch verlangt, auch mal Einbrecher einschüchtern, das ist doch objektiv betrachtet einiges mehr als das, was eine Katze den ganzen Tag so leistet. Adaptiv ist es auf jeden Fall: Der Hund passt sich den Gegebenheiten optimal an. Die Herrschaft über seinen Menschen wird er mittelfristig wohl eher nicht übernehmen, insofern gilt es, das Beste aus der Situation zu machen. Und das ist doch schon irgendwie intelligent, oder?

Über die Intelligenz der Tiere liest man so einiges, beispielsweise über die der Delfine – oder auch der Affen, die uns ja auch phänotypisch recht nahe stehen (naja, manch einem mehr, manchem weniger …). Sind Affenarten, die sich  im Spiegel erkennen, intelligenter als solche, die dazu nicht in der Lage sind? Eine Tierschutzorganisation behauptet, ein erwachsenes Schwein sei so intelligent wie ein dreijähriges Kind. (Das Schwein landet dann allerdings trotzdem traurigerweise als Wurst oder Schnitzel im Kühlregal.) Wie messen wir Intelligenz bei Tieren? Wortschatz und Zahlenreihen scheiden natürlich aus; aber Gleichheit und Verschiedenheit, Mengenkonzepte und andere Aufgaben, wie man sie auch schon in manchen Intelligenztests für ganz kleine Kinder findet, lassen sich – vorausgesetzt, sie sind den Wahrnehmungsfähigkeiten der Tiere angemessen – teilweise übertragen.  Fairerweise muss ein solch "tierischer" Intelligenztest allgemein an die Lebensrealität der Tiere angepasst sein: Ein Tier ist in dem Grade intelligent, wie es in der Lage ist, die Probleme zu lösen, die ihm seine Lebensumwelt stellt. Eine ähnliche Konzeption verfolgen ja auch die Tests, mit denen wir menschliche Intelligenz erfassen; und kein Merkmal ist ja so mit Erfolg im Leben verbunden wie die allgemeine Intelligenz, erfassbar als IQ. Das Problem, dass die Tests auf unsere westliche Lebensrealität zentriert sind, stellt sich schon seit längerem. Die "kulturfreien" oder "kulturfairen" Tests, sprachfreie Verfahren, die darauf abzielten, Nachteile mangelnder Bildung auszugleichen, konnten leider nicht einlösen, was sie versprachen. Wichtig ist die Validität der Messung – dass also tatsächlich das interessierende Merkmal, also Intelligenz, gemessen wird. Und je nachdem, wie die Aufgaben gestaltet sind, ergeben sich teilweise frappierende Unterschiede. Rechenaufgaben in abstrakter Form können von Straßenkindern in Südamerika nicht gelöst werden; stellt man ihnen dieselbe Aufgabe in einer Form, die sie aus ihrem Alltag kennen (beispielsweise, indem man ihnen eine bestimmte Menge Süßigkeiten abkauft), kommt die Lösung prompt. Insofern ist unser Bild von Intelligenz doch sehr auf unsere westliche Mittelschichtwelt beschränkt … wer weiß, was wir alles übersehen?