Diagnostik mit Intelligenztests
MHBT-P – Münchner Hochbegabungstestbatterie für die Primarstufe
Altersbereich: 3. bis 4. Klasse (ca. 7 bis 10 Jahre)
Test-Typ: Einzel- und Gruppentest
Erscheinungsjahr: 2007
Verlag: Hogrefe, Göttingen
1 Beschreibung
1.1 Zielsetzung und Grundlagen
Die MHBT-P dient als Testbatterie der Hochbegabungsdiagnostik in der Primarstufe. Neben einem Intelligenztest, dem KFT-HB, bietet sie Verfahren der Selbst- und Fremdeinschätzungen an. Der KFT-HB erfasst in den Klassenstufen 3 und 4 das sprachgebundene, formallogische und zahlengebundene Denken und dient damit der Ermittlung schulrelevanter kognitiver Fähigkeiten.
Die theoretische Grundlage für die gesamte MHBT-P bildet das mehrdimensionale Münchner (Hoch-) Begabungsmodell von der Forschergruppe um Kurt Heller (z.B. Heller, 2000). Dem Intelligenztest innerhalb der MHBT-P, dem KFT-HB, liegt kein explizites Modell zugrunde. Es wird das sprachgebundene, das formallogische und das zahlengebundene Denken geprüft, darüber hinaus kann das kognitive Gesamtleistungsniveau ermittelt werden. Die erfassten Fähigkeiten lassen sich im Rahmen des Berliner Intelligenzstrukturmodells (Jäger, 1984) überwiegend der Verarbeitungskapazität und damit dem logisch-schlussfolgernden Denken zuordnen.
1.2 Aufbau
- 3 Gruppen von Verfahren, die im Hinblick auf die je spezifische diagnostische Fragestellung flexibel zusammengestellt werden können; eine Anwendung sämtlicher MHBT-Skalen ist im Einzelfall weder notwendig noch testpsychologisch sinnvoll.
- Checklisten (5 Listen) zur (Grob-)Einschätzung (Screening-Instrumente) verschiedener Begabungsbereiche durch Lehrkräfte (Intelligenz, Kreativität, Musikalität, Sozialbegabung und Psychomotorik).
- MHBT-Inventar (5 Fragebögen) zur Erfassung selbstberichteter Kreativität, Sozialkompetenz, Arbeitsverhalten, Leistungsmotivation oder Kausalattribution.
- Kognitiver Fähigkeitstest (KFT-HB): differenzieller Leistungstest zur Erfassung intellektueller (Denk-)Fähigkeiten mit jeweils 2 Subtests pro Inhaltsbereich: verbale Denkfähigkeiten, quantitative Denkfähigkeiten und nonverbale Denkfähigkeiten.
- Es existiert kein Paralleltest zum KFT-HB.
1.3 Quellen
Heller, K.A. & Perleth, C. (2007). MHBT-P. Münchner Hochbegabungstestbatterie für die Primarstufe. Göttingen: Hogrefe.
2 Anwendung
2.1 Zusammenfassung
Die MHBT-P beinhaltet drei Gruppen von Verfahren, wovon der kognitive Fähigkeitstest KFT-HB aufgrund ausreichender Itemschwierigkeiten für die Anwendung in der Diagnostik intellektueller Hochbegabungen als geeignet gelten kann.
Aufgrund der eingeschränkten Reliabilität und Validität für die Hochbegabungsdiagnostik sollten die Checklisten sowie das MHBT-Inventar nur in Kombination mit dem KFT-HB oder anderen mehrdimensionalen Intelligenztests eingesetzt werden.
Erreichbarer Höchstwert IQ=145.
2.2 Eignung als Screening
Als Screening mit Einschränkungen geeignet
Der KFT-HB ist für ein Screening zu aufwändig.
Die Checklisten können erste Hinweise geben, verfügen aber nur über eingeschränkte Objektivität und Validität.
2.3 Eignung zur Profilerstellung
Fähigkeitsprofil kann erstellt werden
MHBT-P gibt Aufschluss über spezifische individuelle Stärken und ermöglicht Vergleich mit Profilen verschiedener Hochbegabtengruppen. Detaillierte Beschreibungen fehlen jedoch (keine Angabe von kritischen Differenzen).
Das MHBT-Inventar ist aufgrund der eingeschränkten Reliabilität und Validität zur Profilerstellung nicht geeignet.
2.4 Eignung für die Schullaufbahnberatung
Für die Schullaufbahnberatung geeignet
Der KFT-HB ist für die Schullaufbahnberatung geeignet.
Checklisten und MHBT-Inventar sind aufgrund der eingeschränkten Objektivität und Kriteriumsvalidität nicht geeignet.
2.5 Eignung für Selektionsentscheidungen
Für Selektionsentscheidungen geeignet
Die Module der MHBT-P sind im Rahmen einer sukzessiven Auswahlstrategie kombinierbar: (1) liberales Screening (Achtung: hoher Alpha Fehler) mit den Checklisten; (2) Ausschluss „falsch positiv“ nominierter Kinder mittels KFT-HB (kombinatorischer oder kompensatorischer Auswahlalgorithmus, vgl. Heller & Perleth, 2007, S. 98 ff.).
3 Normierung
3.1 Vorbemerkungen
Keine speziellen Hinweise
3.2 Aktualität der Normen
Überprüfung/Aktualisierung der Normen erforderlich. Keine Altersnormen.
Normierung: 1996/1997 in BY und BW (Klumpenstichprobe; vgl. Perleth, 2001a), 2002/2003 in BY (Bayerische Grundschulstudie; vgl. Heller, Reimann & Senfter2005).
Schulklassenspezifische „T-U-Normen“, d.h. T-Werte aus unausgelesenen Normierungsstichproben, Umwandlung in PR und IQ-Werte ist (ausschließlich) mit dem mitgelieferten Auswertungsprogramm möglich.
HB- und UA-Standards für verschiedene Hochbegabungsgruppen in der Grundschule basierend auf allen drei Verfahren: Vergleichsprofile intellektuell, kreativ und sozial hochbegabter Hochleister (HB-Standards) und hochbegabter Minderleister (UA-Standards) basierend auf den Daten der 2-3 % bzw. 5-6 % Testbesten in der bayerischen Grundschulstudie (n = 15 bis 43).
3.3 Repräsentativität der Normen
Repräsentativität der Normen eingeschränkt
Die Normen beziehen sich auf den KFT-HB und das MHBT-Inventar (nicht auf die Checklisten.
Unausgelesene Normierungsstichprobe der Grundschulklassen 3 und 4 aus BY und BW.
KFT-HB: n = 637, 3. Klasse (50 % Mädchen) sowie n = 322, 4. Klasse (53 %
Mädchen), keine weiteren Angaben.
MHBT-Inventar: n = 698, 3. Klasse (51 % Mädchen) sowie n = 393, 4. Klasse (49%
Mädchen), keine weiteren Angaben.
Mangelnde Transparenz bei der Normdarstellung (keine Tabellen im Manual; nur Auswertungsprogramm).
Eine abschließende Beurteilung der Repräsentativität ist aufgrund von unzureichenden Angaben zur Stichprobe nicht möglich.
4 Objektivität
4.1 Vorbemerkungen
Keine speziellen Hinweise
4.2 Durchführungsobjektivität
Durchführungsobjektivität weitestgehend gegeben
KFT-HB, MHBT-Inventar: Standardisierte schriftliche und mündliche
Instruktionen vorhanden.
Checklisten: Nominierung der besten 5 % bzw. 10 % der Schüler/innen einer Klasse hinsichtlich Intelligenz, Kreativität, Musikalität, Sozialbegabung und Psychomotorik durch die Lehrkraft; Ergebnis hängt stark von jeweiliger Lehrkraft ab.
4.3 Auswertungsobjektivität
Auswertungsobjektivität gegeben
Die Auswertung für KFT-HB und MHBT-Inventar erfolgt vollständig automatisiert über eine Auswertungssoftware (im Testkoffer enthalten).
Die Möglichkeit einer manuellen Auswertung der Verfahren wäre wünschenswert, um die Auswertung transparent zu machen.
Für Checklisten keine weitere Auswertung.
4.4 Interpretationsobjektivität
Interpretationsobjektivität weitestgehend gegeben
KFT-HB, MHBT-Inventar: Normwerte und Hinweise zur Interpretation (inklusive Fallbeispielen) vorhanden.
Checklisten: Keine Normen oder Interpretationshinweise vorhanden.
5 Reliabilität
5.1 Vorbemerkungen
Angaben zur Urteilerübereinstimmung für die Checklisten fehlen
5.2 Paralleltest-Reliabilität
Angaben zur Paralleltestreliabilität fehlen
5.3 Testhalbierungsreliabilität
Testhalbierungsreliabilität eingeschränkt gegeben
KFT-HB: Schüler/innen der 4. Klasse, Datenerhebung 1986-88, keine weiteren Angaben; Split-half-Reliabilität ist ausreichend bis akzeptabel (Verbalteil .71-.78, Quantitativer Teil .64-.69, Nonverbaler Teil .62-.66, Gesamttest .75-.76).
MHBT-Inventar: Angaben zu Stichproben unzureichend; Split-half-Reliabilität der Skalen größtenteils nicht ausreichend (.22-.67).
5.4 Retest-Reliabilität
Retest-Reliabilität eingeschränkt gegeben
KFT-HB: Datenerhebung 1986-88, keine Angaben zur Stichprobe; Stabilität der KFT-Gesamtleistung ausreichend bis akzeptabel (Klasse 3: T1-T2 (1986/87): .64; T2-T3 (1987/88): .70; T1-T3 (1986/88): .75).
MHBT-Inventar: n = 187, Normierungsstichprobe, keine weiteren Angaben; bei Test-Retestintervall von 1 Jahr von Kausalattribution keine oder geringe Stabilität (.12-.36); Angaben zu restlichen Skalen fehlen.
5.5 Interne Konsistenz
Interne Konsistenz weitestgehend gegeben
KFT-HB:
3. Klasse, Normierungsstichprobe (je n = 158 für Form A und B); interne Konsistenz der Testteile ist akzeptabel bis sehr gut, die des Gesamttests sehr gut (Verbalteil .90 (A), .82 (B); Quantitativer Teil .71 (A), .74 (B); Nonverbaler Teil .93 (A), .92 (B); Gesamttest .94 (A), .92 (B)).
4. Klasse, Datenerhebung 1986-88, keine weiteren Angaben; interne Konsistenz der Testteile ist akzeptabel bis sehr gut, die des Gesamttests sehr gut (Verbalteil .83 (A), .86 (B); Quantitativer Teil .79 (A), .81 (B); Nonverbaler Teil .92 (A), .93 (B); Gesamttest .93 (A), .94 (B).
MHBT-Inventar:
Angaben zu Stichproben unzureichend; interne Konsistenz der Skalen größtenteils nicht ausreichend (.40-.62; für Skala Kausalattribution keine Angaben).
5.6 Profilreliabilität
Angaben zur Profilreliabilität fehlen
6 Validität
6.1 Vorbemerkungen
Keine speziellen Hinweise
6.2 Konstruktvalidität
Konstruktvalidität für KFT-HB gegeben
KFT-HB:
Daten der Jahrgangsstufen 2, 3 (A/B) und 4 (A/B), Datenerhebung 1986-88, keine weiteren Angaben; dreifaktorielle Struktur wurde mit Hilfe von Faktorenanalysen bestätigt (Interkorrelationen der KFT-HB-Testteile in Normierungsstichprobe, Klasse 3, keine weiteren Angaben; Testform A .32-.47, Testform B .36-.43).
Angaben zu Checklisten und MHBT-Inventar fehlen.
6.3 Kriteriumsvalidität
Kriteriumsvalidität eingeschränkt gegeben
KFT-HB:
Zusammenhänge mit Schulnoten
Datenerhebung 1986-88, Klasse 3, keine weiteren Angaben; mittlere Korrelation der Noten in Deutsch, Mathe, Heimat- und Sachkunde mit KFT-Gesamtleistung (.27-.50), tendenziell höhere Korrelationen für Deutsch und Mathe gegenüber Heimat- und Sachkunde.
Checklisten:
Zusammenhänge mit Lehrkraft- und Selbsteinschätzungen
Münchner Hochbegabtenstudie, 3. und 4. Klasse, keine weiteren Angaben; Übereinstimmung der Checklistenurteile (Lehrerurteil zur Einschätzung, ob die Schüler/innen zu den Intelligentesten/Kreativsten/sozial Kompetentesten 10 % gehören) mit den Ergebnissen im KFT-HB bzw. den Selbsteinschätzungsfragebögen zu Kreativität und Sozialkompetenz:
Checkliste „Intelligenz“: 53 % korrekt erfasster Hochbegabter, 40 % tatsächlich Hochbegabter unter allen Nominierten;
Checkliste „Kreativität“: 22 % korrekt erfasster Hochbegabter, 19 % tatsächlich Hochbegabter unter allen Nominierten;
Checkliste „Soziale Kompetenz“: 13 % korrekt erfasster Hochbegabter, 11 % tatsächlich Hochbegabter unter allen Nominierten.
MHBT-Inventar:
Zusammenhänge mit Schulnoten
Datenerhebung 1986-1988, keine weiteren Angaben; keine bedeutsamen Korrelationen der Skalen Kreativität, Soziale Kompetenz, Leistungsmotivation und Kausalattribution mit ausgewählten Schulnoten, geringe Korrelationen für Skala Arbeitsverhalten (.16-35).
6.4 Prognostische Validität
Prognostische Validität gegeben
Follow-up 1995/96; keine weiteren Angaben; mittlere bis hohe Korrelationen von KFT-HB-Gesamtwert und Abiturnote durchschnittlich .40) sowie Leistungskursnoten (durchschnittlich .80) (Perleth, 1997, 2001).
7 Ökonomie
7.1 Vorbemerkungen
Keine speziellen Hinweise
7.2 Durchführungsökonomie
Durchführung ökonomisch
Durchführungsdauer des KFT-HB ca. 90 Min.
Checklisten ca. 5 Min. pro Checkliste und Proband/in
MHBT-Inventar pro Fragebogen ca. 15 Min. (insges. ca. 75 Min.)
7.3 Auswertungsökonomie
Auswertung ökonomisch
KFT-HB, MHBT-Inventar: Dateneingabe dauert wenige Minuten, Auswertung erfolgt automatisch (Auswertungsprogramm im Testkoffer enthalten).
8 Weiterführendes
8.1 Vorgängerversion
Heller, K.A. & Perleth, C. (2000). KFT 4-12+R. Kognitiver Fähigkeitstest für 4. bis 12. Klassen, Revision (3., revidierte Aufl. des KFT 4-13+). Göttingen: Beltz.
8.2 Literaturangaben
Heller, K.A. (Hrsg.). (2000). Begabungsdiagnostik in der Schul- und Erziehungsberatung (2. vollst. überarb. Aufl.). Bern: Huber.
Heller, K.A., Reimann, R. & Senfter, A. (2005). Hochbegabung im Grundschulalter: Erkennen und Fördern. Münster: LIT.
Jäger, A.O. (1984). Intelligenzstrukturforschung: Konkurrierende Modelle, neue Entwicklungen, Perspektiven. Psychologische Rundschau, 35, 21-35.
Perleth, C. (1997). Zur Rolle von Begabung und Erfahrung bei der Leistungsgenese. Ein rückenschlag zwischen Begabungs- und Expertiseforschung (Habilitationsschrift). München: LMU, Dept. Psychologie.
Perleth, C. (2001). Follow-up-Untersuchungen zur Münchner Hochbegabungsstudie. In K. A. Heller (Hrsg.), Hochbegabung im Kindes- und Jugendalter (2. Aufl., S. 375-446). Göttingen: Hogrefe.
Perleth, C. (2001a). Zur Methodik der Münchner Hochbegabungsstudie. In K. A. Heller (Hrsg.), Hochbegabung im Kindes- und Jugendalter (2. Aufl., S. 357-446). Göttingen: Hogrefe.