Diagnostik mit Intelligenztests
SON-R 2-8 – Snijders-Oomen Non-verbaler Intelligenztest 2-8 – Revision
Altersbereich: 2;0 bis 7;11 Jahre
Test-Typ: Einzeltest
Erscheinungsjahr: 2018
Verlag: Hogrefe, Göttingen

1 Beschreibung
1.1 Zielsetzung und Grundlagen
Der SON-R 2-8 erfasst sprachfrei die Intelligenz bei Kindern zwischen 2;0 und 7;11 Jahren. Der Test eignet sich insbesondere für die Intelligenzdiagnostik bei Kindern mit kommunikativen Einschränkungen, Beeinträchtigungen im Bereich der Sprachentwicklung, Lernschwächen oder Entwicklungsrückständen.
Dem SON-R 2-8 liegt kein explizites Intelligenzmodell zugrunde. Mit dem Test wird vorrangig die fluide Intelligenz und die visuelle Verarbeitungsfähigkeit erfasst. Die Tests der SON-Reihe wurden ursprünglich zur Intelligenztestung gehörloser Kinder entwickelt (erste Ausgabe: Snijders-Oomen, 1943). Sie sind ausgewiesen für die Untersuchung von Personen mit eingeschränkten verbalen Kommunikationsfähigkeiten (z. B. gehörlose Menschen, Personen mit Sprach- und Sprechstörungen), mit eingeschränkten Deutschkenntnissen oder von Personen mit bestimmten Verhaltensauffälligkeiten (z. B. starke Hemmungen oder Verdacht auf eine Autismus-Spektrum-Störung).
Der SON-R 2-8 unterscheidet sich vom Vorgänger SON-R 2½-7 vor allem durch die Neunormierung; zudem gab es Anpassungen im Testmaterial (z. B. neues oder farbigeres Bildmaterial), den Itemschwierigkeiten (Neukonstruktion leichter/schwerer Items, bessere Abstufung nach Itemschwierigkeit), der Bearbeitungszeit (Reduktion von 2.5 auf 2 Min. bei den Subtests der Handlungsskala) sowie eine Veränderung in der Subtestreihenfolge.
1.2 Aufbau
- 6 Subtests aus 3 Inhaltsbereichen: abstraktes Denken (Kategorien, Analogien), konkretes Denken (Situationen), räumliches Verständnis (Puzzles, Mosaike, Zeichenmuster).
- Pro Subtest 2 Aufgabenteile, die sich in Material und Instruktion unterscheiden; Items jeweils nach ansteigender Schwierigkeit geordnet.
- Berechnung von 3 Skalenwerten: SON-IQ (Gesamttestwert über alle Subtests), Denkskala (Subtests Analogien, Kategorien und Situationen), Handlungsskala (Subtests Mosaike, Puzzles und Zeichenmuster).
- Nonverbale oder verbale Instruktionen vorhanden.
- Es existiert kein Paralleltest.
1.3 Quellen
Tellegen, P.J., Laros, J.A. & Petermann, F. (2018). SON-R 2-8. Non-verbaler Intelligenztest. Göttingen: Hogrefe.
2 Anwendung
2.1 Zusammenfassung
Der SON-R 2-8 wurde vorrangig für Kinder mit kommunikativen Einschränkungen, Lernschwächen oder Entwicklungsrückständen sowie für die Differenzierung im unteren Intelligenzbereich entwickelt.
Für die Hochbegabungsdiagnostik ist der SON-R 2-8 daher nur eingeschränkt geeignet. Die Itemschwierigkeiten sind zu gering und Deckeneffekte ab einem Alter von 7 Jahren nachgewiesen. Bei sehr intelligenten Kindern ist schon früher mit Deckeneffekten zu rechnen.
Informationen zur prognostischen Validität des Testverfahrens fehlen. Aufgrund des eingeschränkten Messbereichs (fluide Intelligenz sowie visuelle Verarbeitung) sollte der SON-R 2-8 in der Hochbegabungsdiagnostik nur in Kombination mit mehrdimensionalen Testverfahren eingesetzt werden.
2.2 Eignung als Screening
Als Screening nicht geeignet
Nicht als Gruppentest anwendbar.
2.3 Eignung zur Profilerstellung
Kein Fähigkeitsprofil möglich
Die Unterscheidung in Denk- und Handlungsskala konnte mit den Normdaten empirisch nicht ausreichend belegt werden; die Erstellung eines Profils aus Denk- und Handlungsskala ist daher nicht sinnvoll. Es werden kritische Differenzen für signifikante Unterschiede zwischen Denk- und Handlungsskala angeboten, jedoch mit dem Hinweis, dass die diagnostischen Möglichkeiten der beiden Skalenwerte noch nicht ausreichend untersucht sind. Unklar ist daher, welche Information aus dem Vergleich gewonnen werden kann.
2.4 Eignung für die Schullaufbahnberatung
Für die Schullaufbahnberatung eingeschränkt geeignet
Aufgrund des eingeschränkten Messbereichs (fluide Intelligenz sowie visuelle Verarbeitung) nur in Kombination mit mehrdimensionalen Tests geeignet; insbesondere Ergänzung um Tests numerischer und auch verbaler Fähigkeiten als wichtige Prädiktoren für Schulerfolg (Vock, 2008).
Informationen zur prognostischen Validität im Hinblick auf Schulleistungen fehlen.
2.5 Eignung für Selektionsentscheidungen
Für Selektionsentscheidungen nicht geeignet
Deckeneffekte bereits bei Siebenjährigen nachgewiesen; bei sehr intelligenten Kindern ist früher mit Deckeneffekten zu rechnen.
Aufgrund der Reliabilität relativ große Konfidenzintervalle.
3 Normierung
3.1 Vorbemerkungen
Spezielle Hinweise
Normen basieren auf Kombination deutscher und niederländischer Normdaten.
Nutzung kontinuierlicher Normierungsmethode (GAMLSS; Rigby & Stasinopoulos, 2005), nach der die Rohwertverteilung pro Subtest als Funktion des genauen Alters geschätzt wird.
3.2 Aktualität der Normen
Aktualität der Normen gegeben
Normierung: deutsche Normdaten 2016/2017; niederländische Normdaten 2015/2016
Altersnormen für Kinder zwischen 2;0 und 7;11 Jahren: für Subtests in Monatsabständen (Standardwerte als Wertpunkte mit MW = 10, SD = 3); für SON-IQ sowie Handlungs- und Denkskala in Viermonatsabschnitten (Standardwerte als IQ-Norm mit MW = 100, SD = 15); PC-Auswertungsprogramm liefert exakte Altersnormen.
Angabe eines Referenzalters für Subtests und Skalenwerte (Alter, in dem die Hälfte der Kinder in der Normgruppe schlechter abschneidet als das getestete Kind; nur im PC-Auswertungsprogramm).
3.3 Repräsentativität der Normen
Repräsentativität der Normen gegeben
Deutsche Normdaten: n = 762 Kinder (50 % Mädchen) aus neun Bundesländern (dabei vorwiegend BW, HB, NI, TH/SN); n = 63 bzw. n = 64 Kinder pro Altersgruppe für IQ-Normen, stratifiziert nach Region, Stadt-Landverteilung, Bildungsniveau Mutter und Herkunft des Kindes.
Niederländische Normdaten: n = 965 Kinder, nach Manual repräsentativ für die Niederlande (genauere Angaben fehlen).
Vergleich der deutschen mit den niederländischen Normdaten: vergleichbar hinsichtlich Alter, Geschlecht, Migrationshintergrund, Bildungsabschluss Eltern; in deutschen Normdaten geringere mittlere Rohwertsummen als in niederländischen Normdaten.
Keine geschlechterdifferenzierten Normen, doch Mädchen erzielen etwas bessere Ergebnisse als Jungen (kleine Effektstärken); Unterschied wird mit zunehmendem Alter geringer (ab 5 Jahren Angleichung).
4 Objektivität
4.1 Vorbemerkungen
Keine speziellen Hinweise
4.2 Durchführungsobjektivität
Durchführungsobjektivität gegeben
Standardisierte verbale und nonverbale Instruktionen vorhanden (können individuell auf das Sprachvermögen des Kindes eingestellt werden).
Klare Kriterien für adaptiven Testeinstieg und Testabbruch.
Besonderheit: Kind bekommt nach jedem Item Rückmeldung, ob die Lösung korrekt ist oder nicht; im Falle einer falschen Antwort wird das richtige Vorgehen demonstriert.
4.3 Auswertungsobjektivität
Auswertungsobjektivität gegeben
Genaue Auswertungshinweise (inklusive Auswertungsbeispielen) vorhanden.
Computergestütztes Auswertungsprogramm im Testkoffer enthalten.
4.4 Interpretationsobjektivität
Interpretationsobjektivität gegeben
Normtabellen und ausführliche Interpretationshinweise für den alleinigen Einsatz des SON-R 2-8 als auch für den (empfohlenen) Einsatz mit weiteren Testverfahren vorhanden.
5 Reliabilität
5.1 Vorbemerkungen
Keine speziellen Hinweise
5.2 Paralleltest-Reliabilität
Paralleltest-Reliabilität entfällt
Kein Paralleltest vorhanden
5.3 Testhalbierungsreliabilität
Angaben zur Testhalbierungsreliabilität fehlen
5.4 Retest-Reliabilität
Retest-Reliabilität gegeben
Messwiederholung nach durchschnittlich 3 Monaten bei n = 101 Kindern: mittlere bis hohe Retest-Reliabilität der Skalen (SON-IQ .81, Handlungsskala .76, Denkskala .66).
5.5 Interne Konsistenz
Interne Konsistenz gegeben
Berechnet mit Cronbachs Alpha (Subtests als Analyseeinheit) im Mittel für SON-IQ .83 (Range über die verschiedenen Altersgruppen .81-.86), für Handlungsskala .80 (Range .79-.81) und für Denkskala .65 (Range .57-.82).
Berechnet mit Guttman-Modell (Items als Analyseeinheit) im Mittel für SON-IQ .91 (Range über die verschiedenen Altersgruppen .89-.93), für Handlungsskala .87 (Range .86-.89) und für Denkskala .82 (Range .79-.88).
5.6 Profilreliabilität
Angaben zur Profilreliabilität fehlen
Die Profilerstellung aus Handlungs- und Denkskala ist zwar möglich, inhaltlich bleibt die Profilinterpretation aber unklar; insofern erscheint die Profilerstellung wenig informativ.
6 Validität
6.1 Vorbemerkungen
Die Validierungsstudien wurden im Rahmen der Normierung durchgeführt.
6.2 Konstruktvalidität
Konstruktvalidität weitestgehend gegeben
Hauptkomponentenanalysen ergeben in allen Altersgruppen und der Gesamtstichprobe einen dominanten Faktor (jeweils ca. 50 % Varianzaufklärung) sowie zwei weitere Faktoren (mit jeweils ca. 10-13 % Varianzaufklärung); dabei positive Korrelationen der Faktoren.
Untersuchung von Kindern mit Intelligenzminderung, Sprachentwicklungsstörung oder Hörbeeinträchtigung in Deutschland erbrachte erwartungskonforme Testergebnisse im SON-R 2-8. Die Aussagekraft der Befunde ist allerdings aufgrund der kleinen Stichprobengrößen eingeschränkt (Renner & Scholz, 2018).
6.3 Kriteriumsvalidität
Kriteriumsvalidität gegeben
Zusammenhänge mit Testleitereinschätzung:
Kleine bis mittlere positive Korrelationen (.14-.40) zwischen Testleistung und Testleitereinschätzung zu Motivation, Konzentration, Kooperation und Instruktionsverständnis.
Deutsche Normdaten: Zusammenhänge mit anderen Leistungstests
WPPSI-IV (Petermann & Daseking, 2018): n = 50, hohe Korrelation (korrigiert für eingeschränkte Streuung) von SON-IQ mit WPPSI-IV Gesamt-IQ (.71), mittlere Korrelationen (korrigiert für eingeschränkte Streuung) von Handlungs- und Denkskala mit den Indexwerten des WPPSI-IV (.38-.65; Ausnahme Denkskala und Kognitiver Leistungsindex: .20).
SET 3-5 (Petermann, 2016): n = 59, mittlere Korrelationen (korrigiert für eingeschränkte Streuung) von SON-IQ sowie Handlungsskala mit allen SET 3-5 Skalen (.33-.65) außer Verarbeitungsgeschwindigkeit und auditive Merkfähigkeit; ähnliche Befunde für Denkskala (hier jedoch darüber hinaus keine bedeutsamen Zusammenhänge mit den SET 3-5 Skalen, welche grammatikalische Fähigkeiten erfassen).
ET 6-6-R (Petermann & Macha, 2013): n = 50, mittlere Korrelationen (korrigiert für eingeschränkte Streuung) von SON-IQ mit ET 6-6-R Skalen Kognitive Entwicklung, Nachzeichnen und Sprache (.37-.46), mittlere Korrelationen (korrigiert für eingeschränkte Streuung) von Handlungsskala mit ET 6-6-R Skalen Handmotorik, Kognitive Entwicklung und Nachzeichnen (.36-.46), keine bedeutsamen Korrelationen von Denkskala mit den ET 6-6-R Skalen.
Deutsch-niederländische Normdaten: Zusammenhänge mit anderen Leistungstests
WNV (Petermann, 2014): n = 102, hohe Korrelation (korrigiert für eingeschränkte Streuung) von SON-IQ mit WNV-IQ (.74), mittlere Korrelationen (korrigiert für eingeschränkte Streuung) von SON-IQ sowie Handlungs- und Denkskala mit den Subtests des WNV (.39-.66).
Niederländische Normdaten: Auswahl von Zusammenhängen mit anderen Leistungstests
Hohe Korrelationen mit anderen Tests der SON-Reihe (n = 40, Korrelationen für die SON-IQs, Denk- und Handlungsskalen aus SON-R 2-8 und SON-R 2,5-7 bei .71-.91; n = 16, Korrelationen für die SON-IQs, Denk- und Handlungsskalen aus SON-R 2-8 und SON-R 6-40 bei .78-.84).
6.4 Prognostische Validität
Angaben zur prognostischen Validität fehlen
7 Ökonomie
7.1 Vorbemerkungen
Keine speziellen Hinweise
7.2 Durchführungsökonomie
Durchführung ökonomisch
Durchführungszeit zwischen 45 und 75 Min.
7.3 Auswertungsökonomie
Auswertung ökonomisch
Manuelle Auswertung dauert nur wenige Minuten.
Computergestützte Auswertung mit mitgeliefertem Auswertungsprogramm wird empfohlen und dauert max. 5 Min.
8 Weiterführendes
8.1 Vorgängerversion
Tellegen, P.J., Laros, J.A. & Petermann, F. (2007). SON-R 2½-7. Non-verbaler Intelligenztest. Göttingen: Hogrefe.
8.2 Literaturangaben
Rigby, R. A. & Stasinopoulos, D. M. (2005). Generalized additive models for location, scale and shape. Journal of the Royal Statistical Society: Series C (Applied Statistics), 54, 507-554.
Petermann, F. (Hrsg.) (2014). WNV. Wechsler Nonverbal Scale of Ability. Deutsche Bearbeitung. Frankfurt a. M.: Pearson Assessment.
Petermann, F. (2016). SET 3-5. Sprachstandserhebungstest für Kinder im Alter zwischen 3 und 5 Jahren. Göttingen: Hogrefe.
Petermann, F. & Daseking, M. (Hrsg.) (2018). WPPSI-IV. Wechsler Preschool and Primary Scale of Intelligence – Fourth Edition. Deutschsprachige Adaption nach D. Wechsler (4. überarbeitete und erweiterte Aufl.). Frankfurt a. M.: Pearson Assessment.
Petermann, F. & Macha, T. (2013). ET 6-6-R. Entwicklungstest für Kinder von 6 Monaten bis 6 Jahren - Revision. Frankfurt a. M.: Pearson Assessment.
Renner, G. & Scholz, M. (2018). Testinformation zum Non-verbalen Intelligenztest SON-R 2-8 (Dia-Inform Verfahrensinformationen 001-02). Ludwigsburg: Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, Fakultät für Sonderpädagogik. Verfügbar unter: https://phbl-opus.phlb.de/frontdoor/deliver/index/docId/594/file/DiaInformVerfahrensinformationSON_R2_8_001_02.pdf
Vock, M. (2008). Non-verbaler Intelligenztest (SON-R 2½-7). Dt. Standardisierung von P.J. Tellegen, J.A. Laros & F. Petermann. Unter Mitarbeit von Nina Janke, Norbert Karpinski und Anja Renziehausen (2007) [Testinformation]. Diagnostica, 54, 112-115.