Hochbegabte unterstützen

Beratung

LOTUS – Lösungsorientiertes Training zur Unterstützung der Selbstentwicklung

Die Abkürzung LOTUS steht für „Lösungsorientiertes Training zur Unterstützung der Selbstentwicklung“. LOTUS ist ein ressourcenorientiertes Präventions- und Unterstützungsangebot für hochbegabte Jugendliche.

Von: Wiebke Evers


Die Zielgruppe und Format

LOTUS richtet sich an besonders begabte Jugendliche zwischen 13 und 17 Jahren. In kleinen Gruppen kommen die Jugendlichen drei Mal für jeweils vier Stunden mit einer erwachsenen Leitung zusammen. Die Treffen liegen im Abstand von etwa drei Wochen.

Das LOTUS-Konzept

Viele Angebote für Hochbegabte richten sich auf die Vermittlung von Wissen oder geistigen Kompetenzen mit dem Ziel, die Leistung zu steigern. LOTUS hingegen legt den Fokus auf die soziale und emotionale Entwicklung von hochbegabten Jugendlichen und setzt bei ihren individuellen Fragen und Bedürfnissen an. In kleinen Gruppen und in lockerer Atmosphäre setzen sie sich gemeinsam mit Fragen auseinander, die sie bewegen.

In LOTUS geht es unter andere um das Thema der eigenen Identität, die für die meisten Jugendlichen in diesem Alter – ganz unabhängig von Hochbegabung – sehr zentral ist. Hierbei geht es um Fragen wie: Wie kann ich herausfinden, wer ich bin? Wie kann ich werden, wie ich sein möchte? Wie passt meine besondere Begabung dabei ins Bild? Bei LOTUS geht es neben Identitätsfragen auch um den Austausch über den Schul- und Familienalltag oder die Freizeitgestaltung. Zum Beispiel sprechen die Jugendlichen über den Umgang mit Leistungsansprüchen und Erwartungen, sowohl an sich selbst als auch von Eltern oder Lehrkräften. Auch der Umgang mit Erfolgen und Misserfolgen ist oft ein Thema.

Es geht darum, dass die Jugendlichen ihre Ressourcen aktivieren und darin bestärkt werden, dass sie über das Potenzial verfügen, herausfordernde Situationen zu bewältigen. Gleichzeitig wird den Teilnehmenden vermittelt, dass sie nicht allein mit ihren Schwierigkeiten sind und sie in der Gruppe Rückhalt und Verständnis finden.

Die Gruppe wird von einer erwachsenen Person begleitet, die sich mit den LOTUS-Materialien und Inhalten auseinandergesetzt hat. In den Treffen unterstützt sie vor allem, indem sie den Ablauf strukturiert und bei Bedarf weitere Impulse für den Austausch gibt. Mithilfe von Fragen und kleinen Aufgaben regt sie dabei die Gespräche zwischen den Jugendlichen an, hält sich aber inhaltlich bewusst im Hintergrund.

Das LOTUS-Konzept wurde von den Psychologinnen Prof. Dr. Tanja Baudson und Prof. Dr. Franzis Preckel mit Unterstützung der Karg-Stiftung entwickelt.

LOTUS – Gesprächsgruppen für hochbegabte Jugendliche.
Bild: Andreas Reeg

Vier Fragen an Prof. Dr. Tanja Baudson

1. Es gibt nur wenige Angebote, die den Austausch zwischen Hochbegabten in den Mittelpunkt stellen. LOTUS tut aber genau das. Warum?
Irgendeine Form von Austausch hat man bei so gut wie allen Angeboten für Hochbegabte, aber dass man explizit über die eigene Begabung redet, ist tatsächlich eher die Ausnahme. Die Idee dahinter ist, dass das Jugendalter eine Phase ist, in der man beginnt, sich stärker über sich selbst bewusst zu werden. Man denkt darüber nach, wer man ist, wie man sein will, ob man okay ist, wie man ist. Die eigene Hochbegabung ist ein Teil dieses Gesamtpakets Persönlichkeit. Mit dem Begriff verbinden sich jedoch auch einige Mythen – und in irgendeiner Weise setzt man sich im Laufe seiner Entwicklung damit auseinander, ob man will oder nicht. Da tut es gut, nicht allein mit dieser Herausforderung zu sein. In diesem Alter beredet man Dinge lieber mit anderen Jugendlichen. Sich über die eigene Begabung auszutauschen, herauszufinden, was sie für einen selbst bedeutet, und gemeinsam zu überlegen, was man daraus machen will, ist der Kern von LOTUS.

2. Was motiviert hochbegabte Jugendliche, an LOTUS teilzunehmen?
Das ist sehr unterschiedlich. Die meisten sind einfach neugierig und interessiert, sich mit ihrer eigenen Begabung auseinanderzusetzen und mehr darüber zu erfahren und dabei andere Jugendliche kennenzulernen, denen es ähnlich geht. Bei manchen merkt man beim ersten Treffen noch, dass eher die Eltern die treibende Kraft sind. Aber sobald die Jugendlichen in den Austausch kommen, bleibt von dieser anfänglichen Zurückhaltung nicht mehr viel übrig. In all den Jahren gab es vielleicht zwei Jugendliche, die so gar keinen Draht zu der Gruppe gefunden haben. Meistens „klicken“ die Gruppen sehr schnell.

3. Welche Rolle nimmt der/die Trainer:in bei LOTUS ein? Was ist Ihrer Meinung nach ihre/seine wichtigste Kompetenz?
Am wichtigsten ist die Fähigkeit, sich zurücknehmen zu können. Für die Jugendlichen ist es eine neue Situation, selbst für das verantwortlich zu sein, was bei den Treffen passiert. Es gibt zwar ein Handbuch mit strukturierten Übungen, aber wie diese gefüllt werden und was man daraus macht, liegt ganz bei den Jugendlichen selbst. Der/Die Trainer:in moderiert und begleitet dabei. LOTUS ist kein „Konsumangebot“, bei dem sich die Teilnehmenden zurücklehnen und bespaßt werden, sondern es erfordert Reflexion. Den Jugendlichen diese Verantwortlichkeit zuzumuten, bedeutet auch, sie als Kommunikationspartner auf Augenhöhe anzuerkennen – und letztlich ist Erwachsenwerden ja genau das.

4. Die eigene Identität zu finden, anzunehmen und zu entwickeln ist eine besondere Aufgabe in diesem Alter – auch für Hochbegabte. Was würden Sie hochbegabten Jugendlichen gern mit auf den Weg geben? Was hätten Sie selbst sich in dem Alter gewünscht?
Ihr seid klasse, wie ihr seid, mit eurer Ehrlichkeit und mit allen Widersprüchlichkeiten, die ihr in euch vereint und oft genug auch sehr intensiv erlebt. Die Erwachsenen könnten einiges von euch lernen!
Mir selbst hätte ich das Gefühl gewünscht, nicht so allein zu sein mit meinen ganzen Unsicherheiten. Ich war zwar schon recht früh als hochbegabt erkannt worden, hatte Begabung und Leistung aber immer weitgehend gleichgesetzt. Ich könnte mir vorstellen, dass es mir gutgetan hätte, zu sehen, dass andere Hochbegabte mit ihrer Begabung ganz anders umgehen als ich und dass das genauso okay ist. Hochbegabung ist so viel mehr als nur Leistung.

Weitere Informationen

Weitere Informationen über LOTUS, das Konzept und angebotene Trainings finden Sie über die Projektseite LOTUS – Gesprächsgruppen für hochbegabte Jugendliche der Karg-Stiftung.

LOTUS wird unter anderem am Hoch-Begabten-Zentrum Rheinland angeboten. Weitere Informationen über LOTUS, das Konzept und angebotene Trainings gibt Ihnen auch gerne Dr. Wiebke Evers, Projektleiterin Beratung in der Karg-Stiftung.