Hochbegabung verstehen

Kita

Gespräche mit Eltern führen

Eltern und Kindertageseinrichtungen sehen sich bei hohen (kognitiven) Begabungen von Kindern im Kita-Alter in der Regel mit vielen Fragen und Unsicherheiten konfrontiert, geraten dabei auch mitunter an ihre Wissens- und Erfahrungsgrenzen. Es ist deswegen für beide Seiten wichtig, Unsicherheiten hinsichtlich der besonderen Begabung ebenso wie ihre jeweiligen damit verbundenen Wünsche offen zu kommunizieren.

Von: Lisa Pohlmeier


Elterngespräche zur Abstimmung über Fördermaßnahmen nutzen

In wohlwollenden, auf das Kind fokussierten gemeinsamen Gesprächen können die richtigen Rahmenbedingungen für die Entfaltung der kindlichen Begabungen abgesteckt und die bestmöglichen Fördermöglichkeiten abgestimmt werden. Eltern brauchen dazu empathische und fachlich versierte Ansprechpartner:innen in der Kita. Eltern hingegen sollten sich ihrer Verantwortung für eine gelingende Begabungsentfaltung ihres Kindes bewusst sein und mit der Kita gemeinsam Unterstützungsangebote für das Kind schaffen, die sich bestenfalls gegenseitig ergänzen. Ein zielgerichteter Austausch stärkt das Vertrauensverhältnis zwischen den Eltern und den pädagogischen Fachkräften und vertieft die Bildungs- und Erziehungspartnerschaft. Dabei steht das Kind als Hauptakteur seiner Entwicklung im Zentrum.

Den Gesprächsfaden aufnehmen

Gerade wenn Eltern bei ihrem Kind eine hohe (kognitive) Begabung vermuten, wenden sie sich häufig in einem ersten Schritt an die Kita, die ihr Kind besucht, um fachlichen Rat, Informationen und Antworten auf Fragen zu bekommen: Decken sich meine Beobachtungen mit denen der pädagogischen Fachkraft? Wie bewertet sie die Entwicklungsvorsprünge bei meinem Kind? Eltern wollen ihre Vermutung meistens überprüft und gegebenenfalls bestätigt wissen und sie erhoffen sich von der Kita, dass ihnen die richtigen Ansprechpartner:innen genannt werden, die sie und ihr Kind beraten und gegebenenfalls die Begabung durch eine Testung absichern können.

Auch die Kita sollte Eltern zu einem Gespräch einladen, wenn Anzeichen einer hohen (kognitiven) Begabung bei einem Kind beobachtet wurden. Dabei ist es wichtig, sensibel vorzugehen und den Eltern nicht das Gefühl zu vermitteln, dass ihr Kind ein Sonderling ist. Pädagogische Fachkräfte sollten fachliche, aber verständlich aufbereitete Informationen zum Thema bereithalten und ihre Annahme gegenüber den Eltern begründen. Zusätzlich sollte die Kita Anlaufstellen nennen, die Eltern eine weitere Beratung und Unterstützung bei der Abklärung und gegebenenfalls adäquaten Förderung ihres Kindes im Elternhaus anbieten können. Eine Erstorientierung zu hoher kognitiver Begabung bietet die Kita-FAQs 1 sowie die Übersicht über Beratungsstellen mit Schwerpunkt Hochbegabung auf diesem Portal.

Gespräch zwischen zwei Erwachsenen
Bild: iStock/Vladimir Vladimirov

Positive Gesprächsatmosphäre herstellen

Eine positive Atmosphäre ist Grundlage eines jeden guten Gesprächs: Das jeweilige Gegenüber sollte nicht das Gefühl bekommen, auf dem Prüfstand zu stehen und umgekehrt ist es wichtig, dass das vorgetragene Anliegen ernst genommen wird. Nachfolgende Aufzählungen lehnen sich an die Publikation von C. Koop 2 an und umfassen folgende Hinweise:

  • Halten Sie sich beiderseits an einen wertschätzenden und feinfühligen Umgang sowie eine vorwurfsfreie Kommunikation. Wenn notwendig vereinbaren Sie Gesprächsregeln.
  • Suchen Sie sich für das Gespräch innerhalb der Kita einen ruhigen Ort, an dem möglichst keine weiteren Personen mithören können.
  • Das Kind steht im Mittelpunkt, denn die Entwicklung des Kindes ist Basis für die gemeinsame Zusammenarbeit. Kommunizieren Sie dies an die Eltern bzw. an die pädagogische Fachkraft.

Mögliche Gesprächsinhalte können sein:

  • Betrachten Sie gemeinsam unterschiedliche Facetten der kindlichen Entwicklung: Berichten Sie von Ihren Beobachtungen hinsichtlich des Kindes anhand von Beispielen.
  • Lassen Sie sich durch die Schilderungen ihres Gegenübers einen Einblick in die familiäre Situation bzw. den Kita-Alltag geben. Im besten Fall ergeben sich im Gespräch Förderansätze, die sich gegenseitig ergänzen.
  • Stellen Sie die Ressourcen, Stärken und Interessen des Kindes in den Fokus. Zeigen Sie gegebenenfalls (diagnostische) Dokumentationen, die Ihre Beobachtungen unterstreichen.
  • Bieten Sie Fachinformationen zum Thema Hochbegabung und hohe (kognitive) Begabungen in der frühen Kindheit an und formulieren Sie diese verständlich: Ein fachliches Verständnis bildet die Grundlage und ebnet den weiteren Austausch über die Begabungsförderung des Kindes 1.
  • Bleiben Sie ehrlich, wenn Ihnen Fachwissen zu Diagnostik und zur Förderarbeit bei hoher kognitiver Begabung derzeit noch fehlen. Bieten Sie gerade dann an, Kontakte zu Anlaufstellen und weiteren Beratungsangeboten anzubahnen bzw. selbst aufzunehmen sowie Erstinformationen zu suchen. Vermitteln Sie, dass Ihnen der fortwährende Austausch über das Kind ein wichtiges Anliegen ist und Sie gemeinsam als Partner in der Erziehung des Kindes Ihr jeweiliges Wissen und Ihre Beobachtungen bestmöglich einbringen möchten, um einen gelungenen Beitrag zur Entwicklung des Kindes zu leisten.
  • Gehen Sie auf Fragen, Wünsche, Anliegen und Unsicherheiten Ihres Gegenübers ein. Prüfen Sie selbstkritisch, inwieweit Sie auf die Erwartungen Ihres Gegenübers eingehen bzw. diesen gerecht werden können und wollen – insbesondere hinsichtlich der Förderung des Kindes.
  • Sehen Sie das Gespräch als Chance, ihre Kooperation zu stärken, Vertrauen aufzubauen und die gemeinsame Bildungs- und Erziehungspartnerschaft zu intensivieren.

Für die pädagogische Fachkraft gilt ergänzend:

  • Sprechen Sie sich gegebenenfalls vor dem Gespräch im Team oder mit Ihrer Leitung ab, wenn Sie unsicher in der fachlichen Beurteilung des Kindes sind oder hinsichtlich der Gesprächsgestaltung. Bitten Sie auch Ihre Kollegen:innen um eine professionelle Einschätzung des Kindes und führen Sie die Ergebnisse in einer Dokumentation zusammen.
  • Dokumentieren Sie das Gespräch sowie alle Vereinbarungen zwischen Ihnen und den Eltern. Hinterlegen Sie Ihre Gesprächsnotizen in der Akte des Kindes.
  • Vereinbaren Sie nach Möglichkeit direkt einen Folgetermin, bei dem Sie sich gegenseitig über die angestrebten oder bereits vereinbarten Unterstützungsmaßnahmen in der Kita und im privaten Umfeld austauschen und diese gemeinsam evaluieren.
  • Bleiben Sie immerzu mit den Eltern bezüglich der Begabungsförderung des Kindes im Austausch: Nutzen Sie dazu kurze Tür- und Angel-Gespräche oder andere kurze Gespräche. Damit signalisieren Sie, dass Ihnen das Kind und seine Entfaltung wichtig ist.
  • Beachten Sie bei der Vorbereitung von Angeboten, dass Eltern aus einkommensschwachen, sozial benachteiligten Familien oder Familien mit Sprachbarrieren, eventuell eine besondere Unterstützung benötigen.

Konfliktpotenzial in Gesprächen

Trotz guter Vorbereitung eines Gesprächs kann es Meinungsverschiedenheiten geben, ob bei einem Kind eine hohe (kognitive) Begabung vorliegt oder wie diese ausgeprägt ist: Eltern können der festen Überzeugung sein, ihr Kind sei hochbegabt und erhalten möglicherweise von der Kita nicht den entsprechenden Zuspruch, den sie erwartet haben. Andersherum kann die Kita an die Verantwortung der Eltern appellieren, im privaten Umfeld mehr oder andere Anregungen für die Begabungsentfaltung des Kindes zu implementieren und Eltern entziehen sich dieser Verantwortung.

Hier ist es besonders wichtig, das Kind und seine Entwicklung immer wieder zum Dreh- und Angelpunkt der gemeinsamen Betrachtung zu machen. Es ist zudem hilfreich, im Gespräch ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln, was „angemessene kindliche Förderung“ bedeutet. Feinfühlig können etwaige verfestigte Annahmen aufgelöst, Vorurteile abgebaut und Raum für kreative Ideen geschaffen werden, die am Ende dem Kind zugutekommen. Die Berücksichtigung einiger Gesprächsführungstechniken und Kommunikationsregeln kann sich positiv auf das Gespräch mit den Eltern auswirken. Zum vertiefenden Lesen wird die Publikation von Irene M. Beier empfohlen 3.

Abschließend ist noch einmal hervorzuheben: Grundlage für jede wertschätzende und verständnisvolle Kommunikation bildet gegenseitiges Vertrauen, auch und gerade wenn es um die möglichen hohen (kognitiven) Begabungen eines Kindes geht. Richten alle ihren Fokus auf eine gemeinsame Kooperation zum Wohle des Kindes ist ein wertvoller Grundstein für die Zusammenarbeit, vor allem aber für die gelingende Entwicklung eines Kindes mit hoher kognitiver Begabung gelegt.