Hochbegabung verstehen

Kita

Der Übergang von der Kita in die Grundschule

Der Übergang von der Kita in die Grundschule ist ein Thema, das seit vielen Jahren in Deutschland und auch international diskutiert und unterschiedlich in der Fachpraxis und der Wissenschaft gesehen wird. Wie Kinder selbst den Übergang erleben und bewerten steht dabei oft nicht im Mittelpunkt, dass gilt gleichermaßen für Kinder mit hohen Begabungen.

Von: Nadine Seddig


Der Übergang von der Kita in die Schule als Kontroverse

Dass der Übergang von der Kita in die Grundschule so unterschiedlich diskutiert wird, hat vor allem zwei Hauptgründe: Erstens gibt es keinen Konsens um das Konzept der Schulfähigkeit und zweitens wird der Übergang oft aufgrund der strukturellen Trennung zwischen den beiden Systemen als Bruch für Kinder problematisiert. Für die Übergangsgestaltung wurden in den vergangenen 30 Jahren vielfach Konzepte entwickelt, die den Übergang für Kinder sanft gestalten sollen. Der veraltete Begriff der „Schulreife“ wurde abgelöst, da er impliziert, Kinder würden wie ein reifer Apfel in den Korb der Schule fallen 4 – zumindest darüber herrscht Einigkeit.

Heutzutage ist man sich in der Fachöffentlichkeit sicher, dass die Zusammenarbeit zwischen am Übergang beteiligten Akteur:innen wichtig ist, um Diskontinuitäten für Kinder zu reduzieren und nicht nur an den vermeintlichen kulturpraktischen Fähigkeiten der Kinder ausgerichtet werden kann. Das gilt auch für Kinder mit hohen kognitiven Begabungen ganz besonders, denn hier wird oft die Frage gestellt, ob sie vorzeitig eingeschult werden sollen 2. Insgesamt eher randständig ist, wie Kinder selbst den Übergang erleben und bewerten, obwohl sie das wichtigste Glied in diesem Prozess sind. In den vergangenen Jahren entstand mehr Forschung dazu, welche Themen für Kinder wichtig sind. Hervorzuheben sind soziale Beziehungen, Freunde, Einstellungen und Anpassung an die Schule 1.

Die Sichtweise der Kinder

Internationale und nationale Studienergebnisse zeigen, dass Kinder eine andere Sichtweise auf den Übergang haben, als Erwachsene und ihnen andere Themen wichtig sind. Während Erwachsene sich eher damit befassen, was Kinder können sollen, wenn sie in die Schule kommen, sind Kindern Freundschaften und soziale Beziehungen am wichtigsten. Freunde bieten hier vor allem Sicherheit und Orientierung, sich in dem neuen System Schule zurecht zu finden und tragen erheblich zum Wohlbefinden von Kindern im Übergang bei. Starke Gefühle prägen aus Kindersicht die Einstellungen zur Schule, das hängt mit Informationen zusammen, die Kinder aus Kita und Familie über die Schule erfahren.

Ebenso beschäftigt sie die Anpassung an schulische Regeln, hier ist für sie relevant, wie „man“ ein gutes Schulkind wird. Hinsichtlich dieser Themen unterscheiden sich Kinder mit hohen Begabungen nicht von anderen Kindern, deshalb spielen diese Komponenten auch für sie eine wichtige Rolle in der Gestaltung des Übergangs. Daher liegt die Notwendigkeit vor, dass sie im Übergangsprozess als Gestalter:innen anerkannt werden. Das Thema hat auch sozialpolitische Relevanz, denn laut UN-Kinderrechtskonvention sollen Kinder als Gestalter:innen ihrer eigenen Bildungsprozesse einbezogen werden. Aus der Forschung lässt sich klar ableiten, dass Übergänge von Kindern nur negativ erlebt werden, wenn sie Kindern Sorge bereiten 1.

Wichtig: Kooperation, Koordination und Informationsaustausch

Eine gute Kommunikation zwischen allen am Übergang beteiligten Akteur:innen ist wichtig. Das gilt insbesondere auch für Eltern, die wichtige Informand:innen für Kinder darstellen und auch Entscheidungen für Kinder treffen (z. B. bei der vorzeitigen Einschulung). Haben sie selbst schlechte Erinnerungen an ihre eigene Schulzeit, besteht eher die Gefahr, dass sie Unsicherheiten an Kinder weitergeben. Denn aus der Forschung ist bekannt, dass Kinder den Übergang als unsicher erleben, wenn die Eltern unsicher sind 3. Dieses lässt sich durch Gespräche und Informationen in Kita und Grundschule bearbeiten.

Für Kinder ist wichtig, dass sie mit weniger Furcht auf den Übergang blicken, wenn sie mehr Informationen über die Schule und was sie dort erwartet erhalten. Es braucht also pädagogische Akteur:innen, die ihnen Handlungsspielräume und Mitwirkung ermöglichen. Als Gelingensbedingungen für den Übergang lassen sich drei Punkte für die beteiligten Akteur:innen festhalten: Koordination, Kooperation und Informationsaustausch. Die Frage muss für die Zusammenarbeit lauten: An welchen Stellen wird genau Kontinuität für Kinder hergestellt, damit diese sich im Übergang in die Grundschule wohlfühlen?

Eine Antwort ist klar: Beziehungsgestaltung. Es gilt, ein vertrauensvolles Klima zwischen Kita, Grundschule, Familie und Kindern herzustellen. Der Raum, um Freunde zu finden, muss auch in der Schule geboten werden. Zusammengefasst heißt das, dass Kinder nicht per se einen Bruch im Wechsel zur Schule zu erleben. Die meisten Kinder blicken sehr freudig auf die anstehende Schulzeit. Es gilt aber, Diskontinuitäten zu identifizieren, die Kindern Sorge bereiten und genau an diesen Stellen für Kontinuität zu sorgen.