Hochbegabte unterstützen

Kita

Lernmethodische Kompetenz kennen und so Selbstwirksamkeit fördern

Eine Voraussetzung für die Entfaltung von Begabungen ist die Kenntnis über eigene Lernprozesse und -strategien. Kompetenzen zur Wissensaneignung stellen die Grundlage für gesellschaftliche Veränderungsprozesse dar, weswegen ihnen auch institutionell immer mehr Bedeutung zukommt. Der damit verbundene flexible und konstruktive Umgang mit persönlichen Problemlagen und Herausforderungen sollte bereits in Kindertageseinrichtungen aktiv gefördert werden.

Von: Marielle Liebert


Bereits im frühen Kindesalter werden die Grundsteine für spätere Lernprozesse gelegt. Das bedeutet, dass die Fähigkeit zu wissen, wie man lernt, einen hohen Stellenwert für die langfristig erfolgreiche und ressourcenschonende Aneignung von Wissen hat. Diese Tatsache wurde vor allem im Zusammenhang mit den PISA-Ergebnissen von 2001 zentral und erhielt Einzug in bildungspolitische Diskussionen. Als Reaktion wurde von der Kultusministerkonferenz (KMK) unter anderem auch eine Neuformulierung der Grundsätze für die Bildungsarbeit in Kindertagesstätten gefordert.

Der durch PISA verursachte bildungspolitische Aufruf nach möglichst früher Förderung des kindlichen Bewusstseins über das eigene Lernverhalten, wurde daraufhin in den Erziehungs- und Bildungsempfehlungen der Länder verankert 1. Die sogenannte „lernmethodische Kompetenz“ wurde damit als Basiskompetenz in die Leitlinien der pädagogischen Arbeit in Kindertagesstätten integriert. Sie gilt als Querschnittsthema und nimmt in vielen Bundesländern eine Schlüsselrolle in den Zielbeschreibungen für die Bildungsarbeit ein 2.

Was bedeutet Lernmethodische Kompetenz?

Lernmethodische Kompetenz kann als Grundlage für neuen Wissenserwerb verstanden werden. „Lernen zu lernen“ birgt das Potenzial, die eigenen Fähigkeiten einschätzen zu können und so selbstverantwortlich den Erwerb neuen Wissens zu steuern und weiterzuentwickeln. Ein Kind mit ausgeprägter lernmethodischer Kompetenz ist demnach in der Lage, das eigene Lernen zu strukturieren. Dadurch können individuell passende Lernstrategien entwickelt werden, die selbstständiges Lernen ermöglichen, das auch auf einen verantwortungsvollen Umgang mit den eigenen Erkenntnisprozessen abzielt. Konsequenterweise muss also auch die (eigene) Aneignung von Wissen reflektiert und im kollektiven Zusammenhang mit anderen Interpretationen betrachtet werden. Denn nur so kann neues Wissen – sowie die Art und Weise seiner Aneignung – erstens verantwortungsvoll im gesellschaftlichen Diskurs verortet werden und zweitens die etwaigen Folgen der Verbreitung dieses Wissens abgeschätzt werden. Auch dies sind zu berücksichtigende Aspekte, die Teil lernmethodischer Kompetenzaneignung sind, gerade wenn Wissen „zur zentralen Ressource für den Wertschöpfungsprozess“ 8 im Hinblick auf gesellschaftliche Teilhabe zählt. Die Vermittlung dieser Kompetenz wird als Aufgabe des Bildungssystems gesehen 3.

Zieldimensionen lernmethodischer Kompetenz und Begabungsaspekten

Die Ziele der Ausbildung lernmethodischer Kompetenz ergeben sich aus der Definitionsebene und ranken sich um eine auf kindliche Partizipation ausgerichtete pädagogische Haltung. Durch die Fähigkeit, das eigene Lernen zu kennen, es zu steuern und zu regulieren, werden auch Problemlösekompetenzen gefördert 4. Die Kinder entwickeln durch das angeleitete, aber eigenständige Aneignen von Wissen ihre Selbstwirksamkeitserwartung und lernen dadurch idealerweise in komplexen Situationen nachhaltig handlungsfähig zu bleiben. Außerdem wird die kindliche Begabungsentfaltung berücksichtigt, da Methoden zur Förderung lernmethodischer Kompetenz in besonderem Maße das intensive und selbstgesteuerte Lernen im Sinne der Anerkennung individueller Interessen und Bedürfnisse der Kinder berücksichtigen. Dazu gehört es auch, die Kinder bereits früh immer wieder zur Selbstreflexion anzuleiten. So kann ein Gerüst an Fähigkeiten entstehen, das den Kindern bereits im frühen Alter bewusst gemacht werden sollte und das die Basis für lebenslanges Lernen darstellt 3.

Kommunikationsvermögen und Gedächtnisleistung entscheidend

Voraussetzungen für das Entstehen der Fähigkeit, Lernen und seine Einflussfaktoren zu verstehen, sind Kommunikationsvermögen und Gedächtnisleistungen. Denn der souveräne Umgang mit dem Erfahrungswissen früherer Lernsituationen kann die Herausbildung lernmethodischer Kompetenz begünstigen. Kinder, die in diesem Bereich überdurchschnittliche Fähigkeiten aufweisen, können ein besonders ausgeprägtes Verständnis rund um die eigenen Lernprozesse entwickeln und dadurch Vorteile für künftige Lernsituationen ziehen. Eine hohe lernmethodische Kompetenz ist demnach auch der Schlüssel dafür, dass sich Begabungen entfalten können, da sich Kinder häufig erst durch die Beschäftigung mit dem eigenen Lernverhalten ihrer Begabungen bewusst werden 5. Bedingung hierfür ist allerdings auch, dass das Wissen um die eigenen Lernstrategien zum Einsatz kommt. Denn nur, weil einem Kind bewusst ist, wie es gut lernt, heißt das noch nicht, dass es zu jeder Zeit dazu in der Lage ist, dieses Wissen in Handlungen umzuwandeln. Verfestigt sich dieses Ungleichgewicht zwischen Wissen und Anwendung kann es in der Bildungsbiografie zu Problemen kommen. In besonders ausgeprägten Fällen im Begabungsbereich kann die Diskrepanz zwischen hohen kognitiven Fähigkeiten, die sich nicht in Leistung umwandeln lassen zu einem Underachievement führen.

Kind und Erzieherin gemeinsam im Garten
Bild: iStock/Paul Bradbury

Förderung lernmethodischer Kompetenz

Welche konkreten Maßnahmen sind nun aber möglich und nötig, um lernmethodische Kompetenz bei Kindern zu fördern? Zunächst einmal muss eine anregende Lernumgebung zur Verfügung stehen, die selbstgesteuertes und entdeckendes Lernen ermöglicht. Generell sollte hierbei auf die spielerisch erweiterbare Lernfähigkeit von Kita-Kindern aufgebaut werden; sie sollten ihren Neigungen entsprechende Spiel- und Lernmöglichkeiten vorfinden können.

Da häufig (aber nicht nur) Kinder mit besonderen Begabungen Dinge wie nebenbei lernen, ist eine Hauptvoraussetzung für das Entstehen lernmethodischer Kompetenz das Sprechen über Lernen (Lerndialoge) 5. Hierfür müssen Settings geschaffen werden, in denen es gelingt, dass Kinder ihre Lernerfahrung reflektieren. Das pädagogische Fachpersonal sollte hierfür die Entstehung einer Lernkultur anvisieren. Das bedeutet, dass kindliche Lernprozesse bewusst geplant werden und es diesbezüglich eine Zielorientierung seitens der Kindertagesstätte gibt. Einige Hauptkriterien für das Schaffen einer solchen Lernkultur sind:

  • Das intensive Beobachten von kindlichen Interaktionen:
    • Den Kindern sollte es ermöglicht werden, in kooperativen und ko-konstruktiven Arbeitsformen zu agieren, sodass auch gegenseitige Erklärungsszenarien entstehen können, die in der Beobachtung Aufschluss über Aneignungsprozesse von Wissen geben.
    • Die Beobachtung dieser Aushandlungsprozesse im gemeinsamen (oder auch alleinigen) Spiel kann wertvolle Anlässe zur weiteren Begutachtung und Bewertung des Entwicklungsstandes lernmethodischer Kompetenz bieten.
  • Zuhören:
    • Bei (Reflexions-)Gesprächen sollten die Kinder zum eigenständigen Nachdenken und zum Verbalisieren dieser Gedanken angeregt werden.
    • Die individuelle, eigene Meinung der Kinder muss dabei berücksichtigt werden; es sollte darauf geachtet werden, dass die Kinder diese zu äußern lernen, ohne, dass sie lediglich Meinungen von anderen Anwesenden übernehmen.
    • Ein wertschätzender Umgang (und die Verarbeitung) des Gesagten sollte für die pädagogischen Fachkräfte selbstverständlich sein.
  • Gezieltes Fragenstellen:
    • Bereits Bekanntes mit Neuem verknüpfen: Aufgreifen von bekannten Strukturen und das darauffolgende Einbetten in Fragen nach Weiterentwicklungsmöglichkeiten.
    • In spezifischen Spielsituationen (z. B. Bauspiel) nach Entstehungsprozessen und dahinterliegenden Absichten fragen.
  • Einbeziehen der kindlichen Lebensumwelten:
    • Eine Umgebung schaffen, die dazu anregt, Dinge des täglichen Lebens als Lerngegenstände auf- und begreifen zu können.
    • Die Kinder selbst Themen finden lassen, die sie interessieren.
    • Unterstützende Begleitung bei der Weiterentwicklung eines Themengebiets von der selbst gewählten sehr konkreten Stufe auf eine abstraktere Vertiefungsebene 4.

Konkrete Anwendungsbereiche zur Förderung lernmethodischer Kompetenz

Ein Kernelement, dass all diese Kriterien mit einschließt stellt außerdem die kontinuierliche Dokumentation des Lernprozesses des einzelnen Kindes dar. Hierfür eignet sich insbesondere die Portfolioarbeit, mit deren Hilfe Entwicklungsfortschritte festgehalten und individuelle Entfaltungen nachhaltig sichtbar gemacht werden können. Das Portfolio bietet außerdem eine Grundlage für reflexive Gespräche, die das Ziel haben, Denkprozesse bei den Kindern auszulösen und so das Bewusstsein über das eigene Lernen zu schärfen. Diese können beispielsweise in Gruppenform und methodisch aufbereitet stattfinden. Ruckdeschel (2017) beschreibt weitere methodische Möglichkeiten der Reflexionsarbeit mit Kindern 6. Ganz konkrete methodische Fördermaßnamen innerhalb einer (oben beschriebenen) Lernkultur lassen sich beispielsweise gut in unterschiedlichen Projektformaten verwirklichen. Und auch das Philosophieren mit Kindern bietet einen fruchtbaren Nährboden für viele der oben aufgelisteten Kriterien 7.

Zusammenfassend lässt sich also die Relevanz der Initiierung von selbstgesteuerten Lernprozessen für die Förderung lernmethodischer Kompetenz herausstellen. Die Berücksichtigung der individuellen kindlichen Wissensaneignung – und die Bewusstmachung dieser – erhält gerade im Zusammenhang mit der Entfaltung von Begabungen einen besonders hohen Stellenwert. Besonders hervorzuheben ist die Bedeutung der möglichst frühen Förderung dieser Kompetenz in Kindertagesstätten, die die Grundlage für den späteren Umgang mit der individuellen Wissensaneignung und -produktion darstellt.