Hochbegabte unterstützen

Kita

Wie gestaltet sich der Übergang von der Kita in die Grundschule, speziell bei vorzeitiger Einschulung?

Die vorzeitige Einschulzung kann in Erwägung gezogen werden, wenn die Chancen die Risiken eines frühen Schulstartes für das Kind überwiegen. Denn das größte Risiko einer Entscheidung gegen eine vorzeitige Einschulung könnte gegebenenfalls eine Unterforderung des Kindes gleich zu Beginn der Schullaufbahn bedeuten.

Von: Lisa Pohlmeier


Der Übergang von der Kindertageseinrichtung in die Grundschule betrifft jedes Kita-Kind zu einem bestimmten Zeitpunkt in seiner Bildungsbiografie. „Er stellt für sie eine bedeutsame Entwicklungsaufgabe dar und ist mit Chancen und Risiken verbunden – das gilt auch für Kinder mit besonderen Begabungen“ 1. In Einzelfällen kann eine vorzeitige Einschulung, die vor dem regulären Einschulungszeitpunkt erfolgt, eine angemessene Fördermaßnahme für Kinder mit hoher kognitiver Begabung sein 2.

Kinder und ihre Wahrnehmung im Prozess des Übergangs in die Schüle ernst nehmen

Im Vergleich zu gleichaltrigen Kindern wird bei Kindern mit hohen kognitiven Begabungen oft ein frühes Interesse am Lesen, Schreiben und Rechnen beobachtet 2. Damit diese Interessen gefördert und nicht ausgebremst werden, sollten (institutionelle) Unterstützungsangebote für das Kind durchdacht werden. So eignet sich eine Prüfung, ob das Kind in der Kindertageseinrichtung eine individuelle Förderung seiner Interessen und Kompetenzen erfahren kann oder ob die vorzeitige Einschulung als richtige Fördermaßnahme für das Kind erscheint. Neben dem Interesse an den Kulturtechniken, sollte das Kind für eine vorzeitige Einschulung über kognitive Kompetenzen verfügen, dem Unterricht der ersten Klasse folgen zu können. „Darüber hinaus muss beurteilt werden, ob das Kind der Einschulung sozial-emotional gewachsen ist. Dabei spielen die kindlichen Fähigkeiten zur Selbststeuerung und Selbstregulation sowie soziale Kompetenzen, etwa zur Selbstbehauptung eine Rolle“ 3.

Sensible Begleitung des Kindes ist wichtig

Die moderne Schuleingangsdiagnostik kann Aufschlüsse über die gegenseitige Bereitschaft von Kind und Schule bieten und die Entscheidung über den richtigen Einschulungszeitpunkt absichern. Bedeutsam ist jedoch auch, nicht nur den Blick auf einen bestimmten Zustand des Kindes in seinem Sozial- und Leistungsverhalten zu richten, der zum Zeitpunkt der Einschulung vorausgesetzt wird, sondern gleichermaßen den Blick auf den Bewältigungsprozess beim Übergang zu richten und dem Kind eine unterstützende Begleitung anzubieten 4. Da bei einer vorzeitigen Einschulung das Alter des Kindes deutlich unter dem Durchschnittsalter der anderen Schulanfänger:innen liegt, sollten die Entwicklungsaufgaben und deren Bewältigung sensibel begleitet und bei Bedarf zielgerichtet unterstützt werden 2. „Aus internationalen und nationalen Studien wissen wir, dass sich Kinder viele Gedanken machen, wenn sie in die Schule kommen. Sie beschäftigt vor allem, ob sie Freund*innen haben und ein kompetentes Schulkind sein werden oder ob sie Lehrkräfte bekommen, die sie mögen. In diesen Bedürfnissen unterscheiden sich Kinder mit besonderen Begabungen nicht von anderen Kindern“ 5. Meistern Kinder frühe Übergänge wie diese erfolgreich, kann das ihre wirksamen Bewältigungsstrategien stärken, die sie dazu befähigen, auch spätere Übergänge in ihrem Lebensverlauf vielversprechend zu meistern.

Ko-konstruktive Zusammenarbeit aller Akteur:innen lässt den Übergangsprozess gut vorbereiten

„Kinder sind hoch motiviert, sich auf den neuen Lebensraum Schule einzulassen. Dennoch ist der Schuleintritt ein Übergang in ihrem Leben, der mit Unsicherheit einhergeht. Wenn Kinder auf vielfältige Erfahrungen und Kompetenzen aus ihrer Zeit in einer Kindertageseinrichtung zurückgreifen können, sind die Chancen hoch, dass sie dem neuen Lebensabschnitt mit Stolz, Zuversicht und Gelassenheit entgegensehen“ 6.

Eltern

Zwar betrifft die Bewältigung des Übergangs in erster Linie das Kind selbst, jedoch sind an der Übergangsgestaltung weitere Akteur:innen ko-konstruktiv beteiligt, die den Prozess vorurteilsfrei und stärkenorientiert begleiten sollten. Dazu gehören zum einen die Eltern, für die der Übergang in die Grundschule, insbesondere bei einer vorzeitigen Einschulung, mit Herausforderungen und Unsicherheiten verbunden sein kann. Sie können beispielsweise Fragen wie z. B. „Ist unser Kind bereit zur Schule zu gehen?“ oder „Wird sich unser Kind in der Schule wohlfühlen und gut zurechtkommen?“ beschäftigen. Da sich Zweifel von Eltern auf das Kind übertragen können, ist es wichtig, dass sie von den Zuständigen in den Institutionen Kita und Grundschule gut in den Übergangsprozess eingebunden werden, damit sich ihre Unsicherheiten abbauen und ihre Fragen beantwortet werden und das Kind durch seine Eltern gestärkt den Wechsel in die Schule vollziehen kann. Sicherheit kann ihnen beispielsweise ein Elterngespräch in der Kita bieten, bei dem explizit der Schulstart des Kindes fokussiert wird. Da Eltern die Entscheidung über den Einschulungszeitpunkt ihres Kindes treffen, ist ihr aktiver Einbezug sowie Transparenz im Prozess von besonderer Bedeutung und sollte Berücksichtigung erfahren.

Kita

Die Kita als abgebende Institution im Prozess des Übergangs bildet eine wichtige Schnittstelle und bereitet in der Regel den Übergang gemeinsam mit den Kindern und Eltern im letzten Kindergartenjahr vor. Dabei beschäftigen sich Kita-Teams mit Fragen wie beispielsweise: „Wie können wir die Kooperationsbeziehung mit der Grundschule nutzen oder ggf. ausbauen, um einen möglichst sanften Übergang für die Kinder zu ermöglichen?“, „Wie schaffen wir es durch unsere Angebote den Kindern die notwendigen Kompetenzen für einen guten Start in die Schule zu vermitteln?“ oder „Wie gestalten wir eine gelingende vorzeitige Einschulung für Kinder mit hohen kognitiven Begabungen?“. Durch ihre professionelle Distanz können Kita-Fachkräfte wichtige Empfehlungen für den richtigen Einschulungszeitpunkt eines Kindes äußern und den Eltern und der aufnehmenden Grundschule mitteilen, um den Prozess professionell und kindzentriert zu ebnen. Partizipative pädagogische Angebote, Qualitätsstandards für die Übergangsgestaltung und gute Kooperationsbeziehungen zu den umliegenden Grundschulen bieten die Chance, dass Kinder gut auf den Übergang vorbereitet werden können.

Grundschule

Die aufnehmende Grundschule kann die Interessen und Kompetenzen des Kindes gut in den Anfangsunterricht integrieren, wenn sich die Kita und die Grundschule im Vorfeld der Einschulung über den individuellen Lern- und Entwicklungsverlauf des Kindes ausgetauscht haben. Dabei sollten die Eltern unbedingt einbezogen werden und den Austausch damit durch ihr Einverständnis unterstützen können 2. Die Beschäftigung mit Fragen wie beispielsweise: „Wie können wir Strukturen schaffen, Kinder gut in ihrer neuen Umgebung aufzunehmen und ihre besonderen Kompetenzen zu berücksichtigen?“, „Wie können wir sicherstellen, dass Kinder in den ersten Jahren ihrer Schullaufbahn weder unter- noch überfordert sind?“ sind Ausgangspunkt professioneller Übergangsbegleitung von Seiten der Schule. Für sie sollte u. a. die Aufrechterhaltung der Lernmotivation und das emotionale Wohlbefinden der Kinder im Vordergrund der Übergangsgestaltung stehen.

Beratungsstelle bei Bedarf einbeziehen

Zusätzlich kann der Einbezug einer Beratungsstelle ratsam sein. „Die Beratenden können sowohl in der Entscheidungsfindung als auch in der Begleitung der vorzeitigen Einschulung eine neutrale Position einnehmen und bei unterschiedlichen Meinungen im Sinne der Bedürfnisse des Kindes vermitteln. Darüber hinaus verfügen Beratende über einen breiten Erfahrungshintergrund in vergleichbaren Fällen und kennen die formalen Regelungen der einzelnen Bundesländer zur vorzeitigen Einschulung gut. Das kann allen Beteiligten Sicherheit geben“ 3.

Verschiedene Möglichkeiten der Gestaltung des Anfangsunterrichts

Grundschulen können neben der vorzeitigen Einschulung weitere Modelle anbieten, die als Unterstützungsangebote für Kinder mit hohen Begabungen genutzt werden können. Dazu gehört das Modell der flexiblen Eingangsphase sowie der jahrgangsübergreifende Unterricht. „Kinder mit hohen Begabungen können von Schulkonzepten mit flexibler Eingangsphase in besonderem Maße profitieren [...]. Lehrkräfte können die Lernbegleitung von Kindern individualisierter gestalten als in reinen Jahrgangsklassen und damit unterschiedlichen Lerngeschwindigkeiten der Kinder besser gerecht werden. Daher kann dieses Konzept eine Alternative zur vorzeitigen Einschulung darstellen“ 7. Gegebenenfalls kann das Kind auch direkt in die zweite Klasse eingeschult werden. Die Angebote der Schule sollten von den Eltern und der Kita abgewogen werden, um das individuell passendste Angebot für das Kind finden zu können.

Unabhängig vom Einschulungszeitpunkt und vom Modell des Anfangsunterrichts sind alle Kinder während des Übergangs damit konfrontiert, sich an ein neues Umfeld gewöhnen zu müssen und Herausforderungen erfolgreich zu meistern. Positiv kann sich dabei der aktive Einbezug des Kindes in den Prozess des Übergangs auswirken.

Zur Vertiefung

Die Flexible Grundschule im Detail

Schuleingangsdiagnostik

Vorzeitige Einschulung von Kindern mit hoher Begabung - Herausforderungen, Chancen und Risiken

Fragen zum Schulanfang