Hochbegabte unterstützen

Schule

Beratungsanlässe für (Hoch-)Begabte in der Schule

Beratungsangebote in der Schule können für hochbegabte Schüler:innen ein sinnvoller und niedrigschwelliger erster Schritt sein, um Unterstützung bei spezifischen Themen zu erhalten oder auch mögliche weiterführende Angebote für ihre Anliegen zu ermitteln.

Von: Claudia Pauly


Wer berät in der Schule?

Eine solche Beratung kann durch Lehrpersonen (auch eingebettet in den normalen Unterrichtsalltag), durch Schulpsycholog:innen oder durch speziell ausgebildete Beratungslehrkräfte erfolgen. Der Vorteil bei einer Beratung durch Schulpsycholog:innen und Beratungslehrkräfte kann darin liegen, dass durch sie nicht nur eine Beratung der Schüler:innen selbst, sondern auch der involvierten Lehrpersonen erfolgen und so gemeinsam nach Lösungen und Möglichkeiten der Begleitung gesucht werden kann. Beratungsanlässe bestehen demnach nicht nur seitens hochbegabter Schüler:innen, sondern auch auf Seiten der Lehrkräfte. Was könnten nun aber klassische Themen sein, bei denen Schüler:innen und Lehrkräfte Beratung suchen?

Häufige Beratungsthemen

Hochbegabte Schüler:innen beschäftigen hinsichtlich ihrer Persönlichkeits- und Identitätsentwicklung sowie bezüglich ihrer schulischen Entwicklung grundlegend erst einmal die gleichen Themen wie ihre Mitschüler:innen. Dennoch entstehen für sie oftmals spezifische Beratungsanlässe, die mit ihrem hohen Potenzial zusammenhängen und die einer auf ihre Bedürfnisse angepassten Beratung bzw. Beratungskompetenz bedürfen. In Anlehnung an Koop und Preckel (2015) lassen sich häufige Beratungsanliegen bzw. -anlässe wie folgt kategorisieren 1:

Information

  • Hochbegabung allgemein
  • Begabungsförderung
  • psychisches Erleben und emotionale Befindlichkeit
  • Sozialverhalten, Interaktion mit Gleichaltrigen/Erwachsenen
  • Diagnostik (Intellektuelle Hochbegabung, Lern- und Leistungsschwierigkeiten, Problemverhalten)

Beratung

  • Gestaltung bzw. Anpassung von Förderangeboten oder der (Bildungs-)Laufbahn
  • Leistungsprobleme und Underachievement
  • Motivation, Arbeitsverhalten, Umgang mit Anforderungen
  • Psychisches Erleben und emotionale Befindlichkeit
  • Sozialverhalten, Interaktion mit Gleichaltrigen & Erwachsenen

So stellen beim ersten Erkennen einer möglichen Hochbegabung Beratungslehrkräfte oder Schulpsycholog:innen eine wichtige Unterstützung und häufig die erste Anlaufstelle dar – sie können im Gespräch mit den betreffenden Schüler:innen die Notwendigkeit einer Diagnostik eruieren.

Beratung zu Fragen rund zu Akzeleration, Enrichment und zur Schullaufbahn

Auch bei der Frage, ob es für eine:n hochbegabte:n Schüler:in sinnvoll sein kann, beschleunigende Maßnahmen in der Schullaufbahn anzustreben (wie etwa das Überspringen einer Klasse oder ein Frühstudium), bietet sich zunächst eine Beratung innerhalb des Schulkontextes an. Hier können die Schüler:innen selbst sowie ihre Eltern und Lehrkräfte einbezogen werden. Auch bei Schullaufbahnentscheidungen kann die schulische Beratung eine wichtige Rolle spielen. Ähnlich verhält es sich, wenn die Teilnahme an Enrichmentangeboten zur Debatte steht: Möchte z. B. ein:e Schüler:in an einem Projekt teilnehmen oder punktuell den Unterricht einer höheren Klasse besuchen, profitiert diese:r von einer Beratung, die ihm oder ihr hilft, abzuwägen, ob dies sinnvoll ist und was dabei zu beachten wäre sowie von einer Begleitung seitens der Schule während der Maßnahme.

Beratung für hochbegabte Schüler:innen kann im Sinne einer Lernberatung auch dazu dienen, ihnen eine passende Lernbegleitung anzubieten. Dabei kann der Fokus nicht nur auf individuelle Lernpläne gerichtet werden, sondern idealerweise auch auf die Vermittlung und Reflexion von Lernstrategien 2 sowie auf regelmäßige Gespräche zu Lernerwartungen und persönlichen Lernzielen.

Kind legt Holzpuzzle
Bild: Sabine Wedemeyer

Beratung bei schulischen Konflikten und Leistungsproblemen

Es kann vorkommen, dass ein Konflikt zwischen hochbegabten Schüler:innen und ihren Lehrkräften entsteht – z. B. wenn Schüler:innen häufiger den Unterricht stören oder wenn sie sich nicht (mehr) am Unterrichtsgeschehen beteiligen. Hier kann zusammen mit Beratungslehrkräften nach Ursachen und Lösungen gesucht werden. Ein Grund für solche Konflikte kann manchmal auch ein widersprüchliches Passungsgefüge zwischen dem Verhalten der Schüler:innen und ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit sein, welches sich unter den Begriff „Underachievement“ fassen lässt. Schüler:innen erbringen dann bei hohem intellektuellen Potenzial deutlich geringere Leistungen, als erwartbar wäre 3. Dies ist nicht nur für die Lehrkräfte, sondern oftmals auch für die Kinder und Jugendlichen selbst eine belastende Situation. Auch hier kann schulische Beratung weiterhelfen.

Ein Augenmerk bei Leistungsproblemen sollte immer auch darauf liegen, ob bei manchen Kindern und Jugendlichen (zusätzlich zu einer möglichen Hochbegabung) Teilleistungsschwächen vorliegen. Diese Situation bedarf dann einer umfassenden Diagnostik, die z. B. seitens einer Beratungslehrkraft zielführend (aber auch mit Augenmaß) initiiert werden kann.

Beratung bei Konflikten im familiären Umfeld und mit Schüler:innen bzw. Peers

Beratungsanlässe können auch entstehen, wenn im schulischen Umfeld kaum oder keine Konflikte bestehen, dafür aber im privaten Umfeld, z. B. mit der Familie (etwa durch hohen Leistungsdruck, mangelnde Unterstützung oder andere ungünstige Eltern-Kind-Interaktionen) 4. Auch hier kann schulische Beratung eine gute erste Anlaufstelle sein – Voraussetzung ist wie bei allen Angeboten eine vertrauensvolle Basis mit der beratenden Person.

Ein weiteres Themenfeld in der schulischen Beratung sind Konflikte innerhalb der Schülerschaft. Besonders leistungsstarke und anstrengungsbereite Schüler:innen erfahren manchmal Ausgrenzung bis hin zu Mobbing seitens ihrer Mitschüler:innen. Hier rücken dann nicht nur die/der einzelne Schüler:in bzw. ihre Lehrkräfte in den Fokus, sondern bestenfalls die gesamte Schule mit ihrem Konzept zur individuellen Leistungsbewertung und ihren Formen des sozialen Miteinanders. Manchmal zeigen sich auch noch andere Probleme im Sozialverhalten oder in der Interaktion, denen in der schulischen Beratung dann nachgegangen werden kann. Manche Schwierigkeiten in Bezug auf das psychisches Erleben von Schüler:innen offenbaren sich dabei nicht unbedingt durch konflikthaftes Verhalten; die Kinder und Jugendlichen reagieren teilweise auch eher mit Rückzug. Auch dies verdient Aufmerksamkeit und ist ein Grund, Beratung im schulischen Kontext in Anspruch zu nehmen, sei es von den Schüler:innen selbst oder aber von aufmerksamen Lehrkräften.

Beratung in der Praxis

In der Praxis dürften sich die oben genannten Bereiche der Information und Beratung miteinander mischen: So wird vielleicht eine Beratungslehrkraft aufgesucht, weil ein:e Schüler:in Auffälligkeiten im Sozialverhalten zeigt. In der Beratungssituation kann dann der Frage nachgegangen werden, ob eine weiterführende Diagnostik notwendig ist, gleichzeitig kann es aber auch wichtig sein, im Rahmen eines Informationsangebots darüber aufzuklären, in welchen Situationen und warum bestimmte Verhaltensweisen bei hochbegabten Kindern und Jugendlichen wahrscheinlicher werden.

Wie die hier exemplarisch angeführten vielfältigen Themen und Anlässe deutlich machen dürften, ist es von hoher Relevanz, dass Beratung – ob sie nun unstrukturiert im Unterrichtsalltag oder strukturiert in konkreten Beratungsangeboten innerhalb der Schule stattfindet – von gut ausgebildeten und für das Thema Hochbegabung sensibilisierten Personen durchgeführt und angeboten wird. Nur mit entsprechender Expertise ist ein wirkliches Erfassen der jeweiligen Situation und das Angebot einer passenden Unterstützung möglich. Wird Beratung unter solchen Bedingungen durchgeführt, stellt sie ein wertvolles Element in der Entwicklungsbegleitung von Schüler:innen dar.

Zur Vertiefung

Grundlagen beraterischer Gesprächsführung