Hochbegabung verstehen

Schule

Wie erkennt man Hochbegabung in der Schule?

Wie man hochbegabte Schüler:innen in der Schule erkennt, fragen sich viele Lehrkräfte und Eltern – besonders dann, wenn ein Kind ein besonderes Verhalten zeigt oder wenn es Rückmeldungen aus der Umwelt gibt, die eine Hochbegabung vermuten lassen.

Von: Claudia Pauly


Hochbegabung ist nicht Hochleistung

Oft besteht ein Verdacht auf Hochbegabung, wenn ein:e Schüler:in besonders herausragende Leistungen zeigt. Eine solche Vermutung bestätigt sich bei genauerer Diagnostik auch nicht selten, allerdings ist der Zusammenhang zwischen Leistung und Hochbegabung nicht so eindeutig und direkt, wie oft angenommen. So ist hohe Leistung nicht immer auf Hochbegabung gegründet, und umgekehrt resultiert aus einer Hochbegabung nicht automatisch hohe Leistung. Neuere Modelle zur Hochbegabung berücksichtigen dies und beziehen mehrere Faktoren ein, die erklären können, wie und ob sich Hochbegabung in Leistung ausdrücken kann.

Hochbegabung lässt sich also nicht immer an hoher Leistung erkennen und stellt insgesamt ein komplexes und vielschichtiges Phänomen dar. Entsprechend müssen beim Erkennen von Hochbegabung mehrere Faktoren in den Blick genommen werden. Wichtige Fragen sind dabei: Wie ist die persönliche Entwicklungsgeschichte einer Person, wie ist ihre Umwelt? Welches Potenzial für eine hohe Leistung ist prinzipiell vorhanden? Und spiegelt sich dieses Potenzial auch in einer gezeigten Leistung wider? Um diese Fragen zu beantworten, gibt es mehrere Optionen. Beispielsweise können mit speziellen Tests der Intelligenzquotient (IQ), aber auch die Kreativität oder Fähigkeiten wie Konzentration und Aufmerksamkeit ermittelt werden. Weiterhin lassen sich mit Fragebögen die Motivation, die spezifischen Interessen und auch das Selbstbild einer Person erheben 1. Mit Blick auf die einzelne Schülerin bzw. den einzelnen Schüler ist oft eine Kombination von diagnostischen Zugängen sinnvoll.

Intelligenzmessung

Die Messung der Intelligenz ist ein wichtiges Instrument für das Erkennen von Hochbegabung, zumal sie sich mit den verschiedenen standardisierten Intelligenztests in ihren unterschiedlichen Facetten gut erfassen lässt. Da Intelligenz nur einen Teil von Hochbegabung darstellt, werden in die psychologische Diagnostik rund um das Erkennen von Hochbegabung weitere begabungsrelevante Merkmale einbezogen.

Bei entsprechender Fragestellung (z. B., wenn über die Auswahl von Fördermaßnahmen entschieden wird) kann im Rahmen einer psychologischen Beratung eine psychologische Diagnostik erfolgen. Diese kann eine Intelligenzmessung beinhalten, bei der der Intelligenzquotient ermittelt wird. Zudem werden je nach Fragestellung weitere diagnostische Verfahren eingesetzt (z. B. zur Erfassung der Motivation oder des Selbstkonzepts). Eine solche Diagnostik sollte zudem immer auch eine gründliche Anamnese beinhalten und am Ende des Verfahrens eine sorgfältige Auswertung und Einordnung der Ergebnisse mit Blick auf die Fragestellung. Auch eine genaue Erläuterung der verwendeten Diagnostikinstrumente ist wichtig. Dies erfordert umfangreiches Fachwissen, weshalb eine Intelligenztestung nur von erfahrenen Psycholog:innen oder genau dafür qualifizierten Sonderpädagog:innen vorgenommen werden sollte 2. Zudem ist es sinnvoll, eine Intelligenztestung nach einiger Zeit zu wiederholen, da sich das Intelligenzprofil gerade in Kindheit und früher Jugend verändern kann.

Pädagogische Diagnostik

Pädagogische Diagnostik wird im Schulkontext im Wesentlichen von Lehrkräften durchgeführt. Ein zentraler Unterschied wird dabei gleich offenbar: Die Diagnostik erfolgt im Unterschied zur psychologischen Diagnostik in „echten“ Situationen, also im Unterricht, in Arbeitsgemeinschaften, in der Pause usw. Der Diagnostikprozess erstreckt sich außerdem über einen längeren Zeitraum, in dem die Biografie und die Persönlichkeitsentwicklung einer Schülerin / eines Schülers begleitet werden. Insgesamt geht es bei der pädagogischen Diagnostik darum, das gesamte Potenzial der Schüler:innen wahrzunehmen, also ihre Stärken, Fähigkeiten und Interessen. Dies geschieht zum einen durch Beobachtung von außen, zum anderen durch den Austausch mit den Schüler:innen selbst. Wichtig dafür ist ein vertrauensvolles und respektvolles Verhältnis zwischen Lehrkraft und Schüler:in und ein ressourcenorientierter Blick der Lehrperson.

Besonders zu beachten ist: Beobachtungsverfahren können anfällig sein für subjektive Beobachtungsverzerrungen und Beobachtungsfehler. Aus diesem Grund sollten Lehrkräfte in einem pädagogischen Diagnostikprozess regelmäßig sich selbst und die eigenen Beobachtungen reflektieren.

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Werden beide Wege, die psychologische und die pädagogische Diagnostik, professionell genutzt und bei Bedarf sinnvoll kombiniert, bieten sie eine sehr gute Möglichkeit, Hochbegabung bei Schüler:innen zu erkennen.

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Zur Vertiefung

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