Hochbegabung verstehen

Beratung

Schulpsychologische Beratung im Thema Hochbegabung

Die Förderung individueller Begabungen hat in der Schulpsychologischen Beratung einen festen Platz. Schulpsycholog:innen unterstützen Eltern, Lehrkräfte und beratende Fachkräfte im Hinblick auf die Diagnostik von Hochbegabung und daran anschließende Förderempfehlungen oder Beratung.

Von: Anne-Kathrin Stiller


Was ist Schulpsychologie und was tut sie?

Schulpsycholog:innen unterstützen Lehrkräfte und Eltern in ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag sowie Schüler:innen bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung, dem Weg zur Erreichung eines Schulabschlusses und der altersgerechten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben 12. Auch die Schule als Institution, Schulleitungen, -aufsicht und -verwaltung sowie gesetzgebende Gremien werden durch die Schulpsychologie unterstützt 3.Die Schulpsychologischen Dienste sind Teil des öffentlichen Bildungswesens (gemäß Grundgesetz) und damit der psychologische Fachdienst für die Schule. In der Regel liegt die Trägerschaft bei den Bundesländern oder Kommunen.

Trotz unterschiedlicher Organisationsstrukturen und Schwerpunktsetzungen in den einzelnen Bundesländern verbindet die Schulpsychologie ein gemeinsames Professionsverständnis. Was sind die Arbeitsprinzipien der Schulpsychologie?

Die schulpsychologische Beratung 12 ist grundsätzlich

  • freiwillig: Personen können grundsätzlich nicht von Dritten oder höheren Stellen zur Beratung „geschickt“ oder verpflichtet werden. Die Schulpsychologie ist in der Regel nicht in die Hierarchie des Schul- und Bildungssystems eingebunden.
  • vertraulich: Schulpsycholog:innen unterliegen der gesetzlich geschützten Schweigepflicht (§203 StGB). Diese gilt auch innerhalb der eigenen Behörde/Einrichtung sowie gegenüber jedem Dritten, auch gegenüber Eltern ratsuchender Schüler:innen. Rechtliche Ausnahmen bilden bspw. ausdrückliche Entbindungen von der Schweigepflicht, Fälle von Kindeswohlgefährdung und die Zeugenpflicht.
  • frei zugänglich: Ratsuchende haben einen direkten Zugang zur Beratung. Es bedarf keiner Zustimmung durch schulische Gremien oder Stellen.
  • und kostenfrei.

Die schulpsychologische Arbeit basiert zudem auf einer neutralen, d. h. allparteilichen Position der Schulpsychologie im Schulsystem. Sie stellt weder eine einseitige Interessensvertretung der Schule noch der Eltern dar. Schulpsychologische Stellungnahmen und Beratungen sind unabhängig von Weisungen.

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Aus dieser neutralen Position heraus werden Probleme einzelner Schüler:innen systemisch betrachtet, d. h. es werden die Wechselwirkungen zwischen Schule, Klasse und Familie berücksichtigt und möglichst alle hierin relevanten Bezugspersonen einbezogen.

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Was sind Aufgaben und Arbeitsweise der Schulpsychologie?

  • Zu den Aufgabenbereichen im Rahmen der einzelfallbasierten Diagnostik, Beratung und Intervention zählen z. B. die Förderung individueller Begabungen, die Entwicklung von Förderplänen oder die Stärkung von Kompetenzen bei Schüler:innen und Lehrkräften. Themen wie Lernschwächen und Entwicklungsrückstände, Lernmotivation und Lernverhalten, Leistungsängste und Schulvermeidung, psychische Krisen und Erkrankungen oder Fragen der Schullaufbahn usw. können Gegenstand schulpsychologischer Einzelfallarbeit sein.
  • Die Unterstützung von Schulen im Rahmen der Systemberatung umfasst beispielsweise Schul- und Qualitätsentwicklung, Gewaltprävention, Maßnahmen zum Erhalt der Gesundheit von Lehrkräften sowie Schüler:innen, Fortbildungsangebote, Supervision, Coaching und Teamentwicklungsangebote oder die Arbeit in Qualitätszirkeln und Gremien auf allen Ebenen des Schul- und Bildungssystems.
  • Die Schulpsychologie verwendet dabei ein breites Tätigkeits- und Methodenspektrum. Neben Diagnostik und Beratung in den verschiedenen Themenfeldern bietet sie Fortbildungen an, begleitet Präventions- und Interventionsmaßnahmen und unterstützt pädagogische Fachkräfte durch Supervision, Coaching und Konfliktmanagement.

Schulpsychologe mit spielendem Kind
Bild: Marion Vogel

Wie können Schulpsycholog:innen Hochbegabte unterstützen?

Die Förderung individueller Begabungen hat im gemeinsamen Professionsverständnis als wichtiger Aufgabenbereich der Schulpsychologie einen festen Platz 1. Auch im Rahmen der Entwicklung eines inklusiven Bildungssystems, zu dem sich die Bundesrepublik Deutschland und in der Folge die Bundesländer in ihrer Schulgesetzgebung verpflichtet haben, unterstützen Schulpsycholog:innen durch ihre Tätigkeit die Förderung individueller Begabungen 4. Wenn es um die Diagnostik von Hochbegabung und daran anschließende Förderempfehlungen oder Beratung geht, sind Schulpsycholog:innen somit geeignete Ansprechpartner:innen für Erziehungsberechtigte, aber auch für pädagogische und beratende Fachkräfte.

Hochbegabung ist für Lehrkräfte und auch für Eltern schwerer zu erkennen, wenn Leistungs- oder Verhaltensprobleme vorliegen. Da die Schulpsychologie in allen Fragen problematischen Schülerverhaltens berät, kommen häufig Ratsuchende in die Beratung, die bisher noch nicht an eine Unterforderung als möglichen Hintergrund der Probleme gedacht haben 3.

Um welche Anliegen geht es in der schulpsychologischen Beratung im Thema Hochbegabung?

In der schulpsychologischen Beratung im Kontext Hochbegabung stehen Fragen zu Langeweile und Unterforderung, zur Förderung und zu Schullaufbahnentscheidungen im Mittelpunkt 3. Auffälliges Verhalten, schlechte Leistungen und soziale Probleme, die aufgrund ungünstiger Interaktionen aufgetreten sind, können ebenfalls Thema der Beratung sein. Bei bestimmten Schullaufbahnentscheidungen wie dem Überspringen von Klassen oder frühzeitiger Einschulung oder der Zuweisung zu Spezialklassen für Hochbegabte wird in der Regel die Schulpsychologie einbezogen, insbesondere dann, wenn die Schulleistungen nicht der hohen Begabung entsprechen.

Zunehmend wird Schulpsychologie auch in die Fortbildung von Lehrkräften zum Thema Hochbegabung sowie in Schulentwicklungsmaßnahmen und Schwerpunktprogrammen einbezogen 3. Im Umgang mit Hochbegabten entstehen nicht selten psychisch fordernde Situationen für Lehrkräfte, in denen die Schulpsychologie mit Psychoedukation und Supervisionsangeboten für Lehrkräfte unterstützt 5.

Was genau passiert in der Beratung?

In der schulpsychologischen Beratung werden verschiedene Informationen zusammengetragen (u. a. Gespräche mit allen Beteiligten, Psychologische Diagnostik, Beobachtungen von Schulärzt:innen, Lehrkräften und Schulpsycholog:innen). Auf der Basis dieser Informationen wird ein individuelles Förderkonzept entwickelt, für dessen Umsetzung häufig mit außerschulischen Partnern kooperiert wird 3.

Da sich (Hoch-)Begabung als vergleichsweise markantes Merkmal neben Leistungen auch auf die sozialen Beziehungen und die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen auswirkt, werden in der schulpsychologischen Beratung die individuelle psychische und kontextuelle Situation herausgearbeitet und alle relevanten Facetten einbezogen 5.

Wie unterstützt die Schulpsychologie das System Schule im Thema Hochbegabung?

Die Schulpsychologie unterstützt das System Schule dabei, schuleigene Förderkonzepte zu entwickeln und begleitet längerfristige Schulentwicklungsprozesse und deren Evaluation 3. Diese systemischen Lösungsansätze wirken in erster Linie präventiv: Auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse über Hochbegabte und die Eignung von Fördermöglichkeiten sorgt sie dafür, dass hochbegabte Schüler:innen über den Einzelfall hinaus besser erkannt und gefördert werden.

Wie ist die Schulpsychologie strukturiert und wie viele Schulpsycholog:innen gibt es in den Bundesländern?

Trotz des bundesweit einheitlichen Professionsverständnisses der Schulpsychologie unterscheiden sich aufgrund der föderalen Struktur des Bildungssystems deren rechtliche Verankerung, ihre Organisationsstrukturen sowie die schulpsychologische Versorgung in den Bundesländern. In Nordrhein-Westfalen sind die schulpsychologischen Beratungsstellen bspw. den Kreisbehörden unterstellt, während in Bayern die Schulpsychologie Teil des staatlichen Schulsystems ist und Schulpsycholog:innen ihre Dienststelle in der Regel vor Ort in den Schulen haben. Die Form der gesetzlichen Regelung der Schulpsychologie in den Schulgesetzen oder – häufiger – mittels Erlassen oder Aufgabenbeschreibungen unterscheidet sich 2. Somit variieren auch inhaltliche Schwerpunktsetzungen sowie der Stellenwert der Hochbegabtenförderung und deren formale Verankerung.

Jede Schule in der Bundesrepublik verfügt über schulpsychologische Ansprechpartner. Insofern ist Schulpsychologie prinzipiell ein flächendeckendes Angebot, jedoch sind die personellen Ressourcen in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich und häufig weit entfernt von dem geforderten Mindestschlüssel von 5.000 Schüler:innen, 400 Lehrkräften und 12 Schulen pro Schulpsychologin bzw. Schulpsychologe 1. Aktuelle schulpsychologische Versorgungszahlen in den Bundesländern werden regelmäßig vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen, Sektion Schulpsychologie veröffentlicht. Mitunter sind Schulpsycholog:innen direkt an öffentlichen oder privaten Schulen oder Internaten, z. B. in kirchlicher Trägerschaft, tätig. Über Anzahl und Aufgaben dieser Fachkräfte besteht jedoch keine Übersicht.

Wo finde ich Ansprechpartner:innen?

Schulpsychologische Dienste: Die Kontaktdaten aller Schulpsychologischen Dienste in den Bundesländern sind zu finden unter www.schulpsychologie.de.

Weitere Ansprechpartner:innen: In der Beratungsstellendatenbank des Karg Fachportal Hochbegabung finden Ratsuchende wohnortnah weitere professionelle Beratungsangebote, die sich auf das Thema Hochbegabung spezialisiert haben.