Hochbegabte unterstützen

Schule

Positive Lernkultur in der Schule

Der Kulturbegriff ist aus dem Schuldiskurs nicht mehr wegzudenken. Doch was ist eigentlich gemeint, wenn von Schulkultur, Lernkultur oder Anerkennungskultur die Rede ist – und warum sind diese Themen bedeutsam für die Begabtenförderung?

Von: Claudia Pauly


Schulkultur

Schulkultur kann definiert werden als „das gelebte Selbstverständnis der beteiligten Menschen und Akteursgruppen, das einerseits von deren Aktionen geschaffen wird, das andererseits bildend auf die Persönlichkeiten, Prozesse und Strukturen zurückwirkt“ 1. Sie ist ein Prozess, bei dem gemeinsame Werte und Rituale entstehen und Vereinbarungen getroffen werden wie z. B. die Stundenplanorganisation oder Mitbestimmungsstrukturen von Eltern und Schüler:innen 1. Grob formuliert bezeichnet Schulkultur also das gelebte Miteinander in der Schule. Das Lernen ist ein wichtiger Teil dieses Miteinanders, und so kann Lernkultur verstanden werden als ein Teil von Schulkultur.

Positive Lernkultur

„Lernkultur“ ist ein „bunter“ 3 Begriff. Er wird oft benutzt, doch das, was damit gemeint ist, unterscheidet sich je nach Kontext ein wenig. Lernkultur ist zudem nichts Statisches, sondern wie die Schulkultur ein gemeinsamer Prozess: In ihm wird ausgehandelt, wie miteinander gelernt werden soll, mit welcher Lehr- und Lernhaltung die Lehrkräfte bzw. Lernbegleiter:innen ihren Schüler:innen begegnen, wie Kinder und Jugendliche in ihren Lernprozessen begleitet werden sollen und wie Leistungen eingeordnet und bewertet werden. Dazu gehört auch, ob beim Lehren und Lernen ein eher defizit- oder ressourcenorientierter Blick dominiert.

Fokussierung auf Stärken

Eine positive Lernkultur zeichnet sich durch eine Fokussierung auf Stärken und Ressourcen aus, durch ein wohlwollendes Miteinander, Räume für Partizipation und eine personorientierte Haltung. Unterricht hat sich in einem solchen Kontext „an den individuellen Kindern und Jugendlichen, an ihren Potenzialen, Interessen und Bedürfnissen zu orientieren und an der bestehenden Diversität der Schüler:innen auszurichten“ 4. Dabei spielt die Begleitung und Beratung der Schüler:innen eine wichtige Rolle: Sehen sich Lehrkräfte bzw. die Schule als Ganzes verpflichtet, alle Schüler:innen in ihrem Lern- und Persönlichkeitsentwicklungsprozess zu begleiten, ihre Potenziale zu erkennen und zu fördern und sie entsprechend zu beraten, trägt dies entscheidend zu einer begabungsfreundlichen Schul- und positiven Lernkultur bei. Auch hochbegabte Schüler:innen profitieren von einer so gelebten Beratungskultur, denn entgegen der weit verbreiteten Meinung benötigen auch Hochbegabte teilweise eine besondere Zuwendung (in Form von Beratung und Lernbegleitung), um ihre Begabungen entfalten zu können.

Erweitertes Leistungsverständnis

Relevant für eine positive Lernkultur ist außerdem ein erweitertes Verständnis von Leistung. Kompetenzen und (Leistungs-)Anerkennung werden an vielen Schulen nach wie vor durch Noten ausgedrückt. Dies wird oft noch als selbstverständlich oder sogar notwendig angesehen, darf jedoch gerade auch im Kontext von Hochbegabung hinterfragt werden. Viele hochbegabte Schüler:innen werden vielleicht sehr gut benotet, mussten dafür aber möglicherweise weniger Anstrengung aufbringen als einige ihrer Mitschüler:innen. Eine vergleichende Leistungsbewertung mittels Noten kann dann ein Gefühl von Frustration und Ungerechtigkeit befördern und hat nicht selten auch Einfluss darauf, wie wohl sich hochleistende Schüler:innen in ihrer Schul- und Klassengemeinschaft fühlen. Umgekehrt gibt es hochbegabte Underachiever, die ihr Potenzial aus unterschiedlichen Gründen nicht in Leistung ausdrücken können. Auch hier bildet eine Note nur einen Ausschnitt einer gezeigten Leistung, nicht aber das gesamte Potenzial und das Bemühen der einzelnen Person ab. Und auch dies hat unmittelbare Auswirkungen auf die Motivation und das Selbstbild der einzelnen Schüler:innen – und damit letztlich auf die gesamte Lerngemeinschaft. Findet eine Schule andere Formen, um Kompetenzen anzuerkennen, wirkt dies auf ihre Schul- und Lernkultur zurück. In diesem Kontext wird mittlerweile auch häufiger von einer Kultur der Anerkennung gesprochen.

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Eine positive Lernkultur zeichnet sich durch eine Fokussierung auf Stärken und Ressourcen aus.

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Anerkennungskultur

Eine Anerkennungskultur umfasst maßgeblich ein anderes Verständnis von Leistung und Bewertung, beinhaltet darüber hinaus aber noch weitere wichtige Grundsätze. In einer Anerkennungskultur „signalisiert man den Kindern und Jugendlichen, dass man sorgfältig auf ihre Lebensumstände achtet und sie respektiert. […] Kinder und Jugendliche werden über ihre Erfolge und das, was sie erarbeiten möchten, so auf dem Laufenden gehalten, dass sie es verstehen. Dabei rücken Stärkenorientierung und Fehlerfreundlichkeit in den Fokus 2.“ Auf diese Weise werden die individuellen Potenziale jeder einzelnen Schülerin, jedes einzelnen Schülers wertgeschätzt, und es wird anerkannt, dass es viele verschiedene Möglichkeiten von Leistung und Partizipation gibt.

Es zeigt sich also, dass Lernkultur im Wesentlichen dadurch bestimmt wird, wie Schulkultur in einer Schule insgesamt gelebt wird, wie Schüler:innen in ihren Entwicklungsprozessen begleitet werden und welche Formen der Anerkennung und personorientierten Ausrichtung von Schule und Unterricht gefunden werden. Gelingt dies im Sinne einer positiven Lernkultur, ist eine wichtige Grundlage gerade auch für eine begabungsfreundliche Schule geschaffen.

Zur Vertiefung

Anerkennungskultur in der Schule

Lehrpersonen als Berater:innen und Lernbegleiter:innen