Hochbegabte unterstützen

Schule

Schulische Fördermaßnahmen für (hoch-)begabte Schüler:innen

Damit sich die Fähigkeiten und die Persönlichkeit von Kindern und Jugendlichen entwickeln können, ist eine angemessene Förderung nötig. Idealerweise beginnt diese bereits in den ersten Lebensjahren in der Familie, im weiteren Verlauf übernehmen dann auch Institutionen wie Kindertagesstätte und Schule wichtige Aufgaben in der Förderung und Begleitung.

Von: Karen Johannmeyer und Claudia Pauly


Notwendigkeit von Fördermaßnahmen bei (hoch-)begabten Schüler:innen

Gerade bei (hoch-)begabten Kindern und Jugendlichen sind (zusätzliche) Fördermaßnahmen von hoher Relevanz, denn nicht selten sind Schüler:innen mit hohem Potenzial im Regelunterricht nicht „ausgelastet“, was zu Unterforderung, Langeweile, Frustration und in der Folge auch Underachievement führen kann. Glücklicherweise gibt es im schulischen Kontext vielfältige Möglichkeiten, Fördermaßnahmen für besonders begabte Kinder und Jugendliche zu etablieren. Dabei wird meist zwischen den Förderprinzipien des Enrichments und der Akzeleration unterschieden. Diese können in Kombination oder getrennt voneinander umgesetzt werden, im regulären Klassenverband oder außerhalb davon. Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über diese beiden Ansätze gegeben.

Förderung durch Akzeleration

Da Hochbegabte Lerninhalte häufig schneller bearbeiten, liegt eine Förderung durch Akzeleration (von lat.: „Beschleunigung“) oft nahe. Darunter wird „jede Maßnahme, die es einer Schülerin oder einem Schüler ermöglicht, den vorgesehenen Lehrplan oder Teile davon früher zu beginnen, zu beenden oder schneller zu passieren, als es teils üblich, teils gesetzlich vorgesehen ist“ 2 gefasst. Dabei werde jedoch „nicht das Kind oder das Lernen beschleunigt, sondern das Kind arbeitet auf der Stufe des Curriculums, das zu seiner Entwicklung passt“ 3. Es gibt vielfältige Maßnahmen, die eine Akzeleration ermöglichen. Klassische Beispiele sind eine frühe Einschulung oder das Überspringen von Klassen. Es gibt jedoch auch spezifische Schulkonzepte, die eine Akzeleration ermöglichen. Insbesondere in der Grundschule finden sich Konzepte flexibler Schuleingangsstufen oder jahrgangsübergreifenden Unterrichts, die es Schüler:innen ermöglichen, eher in ihrem eigenen Tempo zu lernen. An einzelnen Schulen gibt es jedoch auch Konzepte einer flexiblen Oberstufe.

Förderung durch Enrichment

Unter Enrichment sind Maßnahmen zu verstehen, die „Kinder und Jugendliche mit Zusatzstoff versorgen, den Unterrichtsstoff vertiefen und erweitern, ohne dass die Schülerinnen und Schüler schneller vorankommen“ 3. Es kann davon ausgegangen werden, dass Enrichment im schulischen Alltag auch häufig vorkommt, ohne explizit so benannt zu werden. Für Enrichmentmaßnahmen gibt es vielfältige Beispiele – z. B. die zeitweise Teilnahme am Unterricht höherer Klassen, Projektarbeit, Arbeitsgemeinschaften, Wettbewerbe, Akademien oder das sogenannte „Drehtürmodell“ (welches genau genommen Aspekte des Enrichment und der Akzeleration vereint). Bei Letzterem verlassen die Schüler:innen für einen begrenzten Zeitraum den Regelunterricht und nutzen in dieser Zeit ein anderes Angebot. Manchmal nehmen die Schüler:innen diese Angebote allein wahr, manchmal auch in Gruppen.

Drehtürangebote erfolgen oft außerhalb des regulären Unterrichts, sie können aber auch innerhalb des Klassenverbandes stattfinden, z. B. durch Projektarbeiten im Unterricht. Für solche Maßnahmen des Enrichment im regulären Unterricht gibt es noch zahlreiche weitere Beispiele 4. So können offene Aufgabenformate eingesetzt werden, bei denen verschiedene Lösungswege oder Lösungen möglich sind. Beim selbstgesteuerten Lernen können Schüler:innen selbst Verantwortung für ihren Lernprozess übernehmen, beim forschenden Lernen können sie eigenständig an Fragestellungen arbeiten.

Zusammenfassung

Enrichment-Angebote stellen eine gewinnbringende Fördermöglichkeit für (hoch-)begabte Kinder und Jugendliche dar: Die zeitweise Beschäftigung mit anderen, herausfordernden Inhalten, manchmal auch in jahrgangsübergreifenden Gruppen, bietet neue Anregungen, den Austausch mit Gleichgesinnten und damit auch ein Entwicklungsfeld für die eigene Persönlichkeit. Gleichzeitig kann damit einer möglichen Unterforderung entgegengewirkt werden, die bei einer ausschließlichen Teilnahme am Regelunterricht entstehen kann. Maßnahmen der Akzeleration ermöglichen es den Kindern und Jugendlichen, Lernfortschritte in ihrem eigenen Tempo zu machen. Voraussetzung ist, dass die Lerninhalte flexibel angepasst werden können und das Bildungssystem durchlässig genug ist, um in einer individuellen Geschwindigkeit durchlaufen zu werden.

Bei allen Förderangeboten gilt: Für eine adäquate Förderung müssen die Potenziale (hoch-)begabter Schüler:innen erst einmal gesehen und anerkannt werden. Dafür braucht es aufmerksame Lehrkräfte und eine Schulkultur, die besonderes Potenzial, außergewöhnliche Leistungen sowie individuelle Entwicklungswege anerkennt und unterstützt. Dabei geht es weniger darum, dass Schüler:innen sich erst „beweisen“ müssen, damit sie Enrichment- und/oder Akzelerationsangebote erhalten. Vielmehr sollten die Kinder und Jugendlichen in ihrer Entwicklung begleitet und beobachtet werden – immer mit dem Blick, bei welchen Angeboten und Herausforderungen sich ihr jeweiliges Potenzial besonders zeigt, um dieses dann gezielt in seiner Entwicklung unterstützen zu können.

Zur Vertiefung

Das Drehtürmodell – eine Maßnahme der Begabtenförderung

Formen des Überspringens von Klassen

Begabungsförderliche Methoden im Unterricht

Deeper Learning als begabungs- und begabtenförderliches Modell für einen Unterricht des 21. Jahrhunderts

Schulischer Umgang mit Underachievement

Möglichkeiten der Förderung für Underachiever