Hochbegabte unterstützen

Schule

Begabungsförderliche Methoden im Unterricht

Für die Förderung von Begabungen im Unterricht sind besonders Methoden geeignet, die den Schüler:innen ausreichend Herausforderung bieten und damit für sie motivierend und anregend sind. Also Methoden, die ihre je „individuell höchst unterschiedlichen spezifischen Voraussetzungen, Bedürfnisse, Lernwege, Lernziele und Lernmöglichkeiten […] berücksichtigen“ 1. Eine kleine Auswahl aus der Vielzahl solcher Methoden zur Begabten- und Begabungsförderung wird im Folgenden vorgestellt.

Von: Carolin Kiso


Enrichment und Akzeleration

Wenn von begabungsförderlichen Methoden im Unterricht die Rede ist, dann handelt es sich zumeist um Angebote des Enrichment oder in geringerem Maße auch der Akzeleration. Enrichment umfasst Maßnahmen zur Anreicherung oder Erweiterung der im verbindlichen Curriculum vorgesehenen Lerninhalte, durch inhaltlich und bzw. oder didaktisch-methodisch aufbereitete erweiterte Lernangebote. Enrichmentangebote können sich an einzelne in dem Fach besonders begabte Schüler:innen richten oder an eine Gruppe 2. Enrichment ermöglicht Schüler:innen somit eine vertiefende Auseinandersetzung mit Lerninhalten oder Lernmethoden. Trautmann weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass effektive Enrichmentmaßnahmen mit einem hohen Anteil anreichenden Lernens permanent stattfindende und flexible Differenzierungsmaßnahmen voraussetzen 3. Im Gegensatz dazu ermöglichen Angebote der Akzeleration es, den Schüler:innen, den Lehrplan oder Teile davon, in einem oder mehreren Fächern, schneller als vorgesehen abzuschließen. Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, wie Enrichment- und Akzelerationsangebote in den Unterricht integriert werden können.

Offene Aufgabenformate

„Im Unterschied zu geschlossenen Aufgaben sind bei offenen Aufgaben Lösungsweg und Lösung nicht bereits durch die Aufgabenstellung vorgegeben. Vielmehr sind verschiedene Lösungen wie auch Lösungswege möglich“ 4. Offene Aufgabenformate bieten eine Form der Differenzierung von unten, indem sie den Schüler:innen selbst viel Raum zur Lösung und somit zur Differenzierung bieten. Offene Aufgaben können beispielsweise in individuellen Lehrplänen oder beim Stationenlernen verwendet werden, sie bieten aber auch im Frontalunterricht eine Möglichkeit der individuellen (Begabungs-)Förderung. Werden im gemeinsamen Unterricht offene Aufgaben gestellt, eröffnet dies jedem Kind die Möglichkeit, dem eigenen Lernstand entsprechend zu antworten wodurch sich auch hochbegabte Kinder und Jugendliche angesprochen und herausgefordert fühlen. Im gemeinsamen Unterricht bieten offene Aufgaben die Chance, die Vielfalt von unterschiedlichen Lernzugängen bei den Schüler:innen zu thematisieren, was zu mehr Akzeptanz untereinander beitragen kann.

Selbstgesteuertes Lernen und Individuelle Lernpläne

Offene Aufgaben ermöglichen Lernenden eine Antwort auf eigenem Niveau und fördern ein vertiefendes Einarbeiten in Aufgaben sowie ein Ausprobieren unterschiedlicher Lösungsansätze. Damit sind sie auch für begabte Schüler:innen besonders motivierend. Auch die Transferfähigkeit wird gefördert 5. Eine Reflexion von Lernwegen und Lernprozessen kann angeregt werden, was dabei helfen kann, den eigenen Lernprozess besser zu steuern.

Beim Selbstgesteuerten Lernen wird die Verantwortung für den Lernprozess ganz oder stückweise an die Schüler:innen abgegeben. Je nachdem welche Definition von Selbstgesteuertem Lernen zugrunde gelegt wird, kann der Grad der Steuerung, die die Lehrkraft bzw. der/die Schüler:in übernimmt variieren. Der Anteil der Verantwortung für den Lernprozess sollte dabei entsprechend der Bedürfnisse und Voraussetzungen zum selbstständigen Lernen der Schüler:innen gestaltet werden. Auch hochbegabte Schüler:innen können Schwierigkeiten haben sich selbst zu organisieren und sich selbst zu motivieren, das heißt, sie müssen unter Umständen das Lernen erst lernen 2. Eine Form des Selbstgesteuerten Lernens kann das Arbeiten mit individuellen Lernplänen sein. Diese bieten eine Vielzahl an Gestaltungsmöglichkeiten und können hinsichtlich ihrer Länge variieren, z. B. können Tages-, Wochen- oder Monatspläne, aber auch jegliche Form dazwischen ausgewählt werden. Zudem besteht die Möglichkeit, Zwischenschritte oder Meilensteine für alle oder aber auch nur für manche Kinder (z. B. Kinder, die Schwierigkeiten haben sich zu organisieren oder zu motivieren) zu setzen. Auch inhaltlich existiert ein hoher Gestaltungsfreiraum, so können die Pläne unterschiedlich stark individualisiert sein.

Aufgabengestaltung

Die Aufgaben können sich in Quantität (Pflicht- und Zusatzaufgaben) und in Qualität (verschiedene Schwierigkeitsstufen) unterscheiden. Wichtig ist bei der Gestaltung der Lernpläne, die Individualität der Schüler:innen im Blick zu haben und das Kind in den Mittelpunkt der Überlegungen zu stellen. Sich also die Frage zu stellen, wie die Aufgaben gestellt werden müssen, damit der/die Schüler:in motiviert lernen kann. Sind die Aufgaben alle im gleichen Aufgabentyp gestaltet, kann dies gerade für hochbegabte Schüler:innen demotivierend wirken und als Last empfunden werden 2.

Zudem besteht neben dieser Differenzierung durch die Lehrkraft auch die Möglichkeit, die Schüler:innen bei der Gestaltung der Lehrpläne miteinzubeziehen, indem z. B. offene Aufgaben miteinbezogen werden (siehe oben) oder die Schüler:innen ermuntert werden, selbst Aufgaben für sich oder Mitschüler:innen zu überlegen. Eine sehr freie Vorgehensweise wäre, wenn Schüler:innen ihr Lernziel (unter Umständen mit ein wenig Hilfe) selbst setzen und den Lernprozess entsprechend diesem selbstgesteuert anpassen, Methoden eigenständig wählen und die Überprüfung der Ziele selbst gestalten.

Individuelle Lernpläne eignen sich vor allem für hochbegabte Kinder, die gut in der Lage sind, sich selbständig zu organisieren, zu motivieren und zu arbeiten. Besonders gefördert werden Eigenaktivität, Selbstständigkeit, Zeitmanagement, Eigenmotivation und je nach Aufbau auch Teamarbeit und Lernen durch Lehren. Zudem wird für die Verschiedenheit der Schüler:innen und die Individualität ihrer Lernprozesse sensibilisiert.

Stationenlernen

Beim Stationenlernen werden im Klassenraum verschiedene differenzierte Materialien und Aufgabenstellungen an unterschiedlichen Lernstationen vorbereitet. „Die Aufträge stehen in einem thematischen Zusammenhang, können aber in der Regel unabhängig voneinander und in unterschiedlicher Reihenfolge bearbeitet werden“ 6. Verschiedene Schwierigkeitsstufen und unterschiedliche Zugänge können bei der Gestaltung der Stationen berücksichtigt werden: So wird an die unterschiedlichen Begabungen und Leistungsstände der Schüler:innen angeknüpft, indem inhaltlich und methodisch differenziert wird. Können die Schüler:innen die Reihenfolge der Stationen selbst wählen und auch selbst auswählen, welche Aufgaben sie erledigen möchten und welche nicht, wird ihnen ein Stück weit die Verantwortung über den eigenen Lernprozess gegeben. Bei der Auswahl der Materialien und Gestaltung der Stationen ist es wichtig, Abwechslung zu bieten, damit für alle Schüler:innen animierende Aufgaben, Methoden und Zugänge dabei sind 5. Beim Stationenlernen wird den Schüler:innen so eine ansprechende Lernumgebung differenziert aufbereitet und die Schüler:innen können diese selbstgesteuert und eigentätig erkunden.

Durch die Möglichkeit der Anpassung, der Art und Auswahl der Arbeitsaufträge an den Stationen auf die individuellen Ansprüche, kann diese Methode für (hochbegabte) Schüler:innen gut geeignet sein. Haben Schüler:innen Konzentrationsschwierigkeiten, neigen zu Reizüberflutung und/oder lassen sich schnell ablenken, dann kann die Vielfalt an Angeboten und ein schneller Wechsel zu Überforderung führen und es ist sinnvoll die Auswahl einzugrenzen. Im Stationenlernen werden durch eine differenzierte Gestaltung der Stationen verschiedene Sinneskanäle angesprochen und eine Vielfalt möglicher Zugänge zum Stoff wird hervorgehoben. Der Methodenwechsel an den verschiedenen Stationen kann die Abwechslung bieten, die vor allem auch hochbegabte Schüler:innen benötigen, um motiviert lernen zu können.

Schülerin schaut durch ein Mikroskop
Bild: iStock/Ridofranz

Forschendes Lernen

Das Konzept des Forschenden Lernens ist so angelegt, dass Schüler:innen sich eigenständig einem selbstgewählten Thema bzw. einer selbst gewählten Fragestellung widmen und zu dieser forschend eine Antwort suchen. Im Mittelpunkt steht der individuelle Forscherprozess der einzelnen Kinder. Das Forschende Lernen „bietet die Möglichkeit, alleine oder in Forscher/innengruppen alle Phasen eines Forschungsprozesses zu durchlaufen, vom Ausgangsinteresse über die Hypothesenbildung, die Strukturierung des Vorgehens, Hochs und Tiefs in der Durchführung bis hin zur Beantwortung der Forschungsfrage und der Präsentation der Ergebnisse“ 7. Das Forschende Lernen lässt sich folglich mit der gesamten Klasse durchführen und bietet durch die Individualisierung und die Selbstständigkeit der Schüler:innen eine Möglichkeit der Begabungsförderung. Es kann aber auch lediglich mit einzelnen begabten Schüler:innen parallel zum Unterricht praktiziert werden, beispielsweise wenn diese den Unterrichtsstoff schneller bearbeitet haben.

Forschungsfrage als Ausgangspunkt

Der Prozess des Forschenden Lernens beginnt damit, dass die Schüler:innen aus ihrem eigenen Interesse heraus für sie gut bearbeitbare Forscherfragen generieren. Das Anknüpfen an die Interessen der Schüler:innen trägt dazu bei, ihre intrinsische Motivation zu befördern und einen Bezug zur eigenen Arbeit aufzubauen, dies stellt gerade für die Begabungs- und Begabtenförderung eine wichtige Bedingung dar. Damit die Forschungsfrage auch von den Schüler:innen bearbeitbar ist, sollte sie zwar offen aber möglichst konkret formuliert werden und so eingegrenzt werden, dass die vorgesehene Zeit zur Bearbeitung ausreicht. Die Methode des Philosophierens mit Kindern kann den Ausgangspunkt für das Finden der Forschungsfragen bilden 8. Ist die Forschungsfrage gefunden arbeiten die Schüler:innen Wege und Möglichkeiten aus, wie sie diese beantworten können, welche Informationen und Hilfsmittel sie benötigen, wo sie Unterstützung brauchen und wie sie an diese herankommen. Wie viel Struktur und Hilfestellung sie hierbei von der Lehrkraft benötigen, ist von Kind zu Kind unterschiedlich. (Hochbegabte) Schüler:innen, die in der Lage sind sich zu organisieren, wissen wie sie zielgeleitet arbeiten können und Zugang zu Informationen haben, benötigen weniger Unterstützung und können ihre Kompetenzen in diesen Bereichen im Forschungsprozess noch weiter ausbauen. Andere Schüler:innen, die zwar sehr interessiert, begabt und motiviert sind, aber ihre Arbeitsprozesse nicht gut selbstständig planen können, benötigen eventuell ein kleinschrittigeres Vorgehen und Hilfestellungen bei den einzelnen Schritten.

Forscherkonferenzen

Während des Prozesses des Forschenden Lernens kann mit einer Forscherkonferenzen gearbeitet werden. In ihr bekommen Schüler:innen, die nicht weiter kommen oder vor einer Herausforderung stehen, Rat und Unterstützung durch ihre Mitschüler:innen 9. Am Ende des Prozesses steht die Präsentation der eigenen Ergebnisse. Dies kann vor der Klasse, aber auch vor der gesamten Schule und oder der Familie und Freunden geschehen. Wichtig ist, dass die Schüler:innen ausreichend Anerkennung und Wertschätzung für ihr Projekt Forschenden Lernens erhalten, in das sie viel Energie und Muße gesteckt haben.

Forschendes Lernen eignet sich vor allem für (hochbegabte) Kinder, die neugierig sind, gerne Dinge entdecken und ausprobieren, ein gutes Durchhaltevermögen haben und eventuell von konventionellen Aufgaben schnell gelangweilt sind. Von Vorteil ist, wenn sie in der Lage sind, sich selbständig zu organisieren, ansonsten sollte ihnen hier unter die Arme gegriffen werden. Besonders gefördert werden Kreativität, Eigenaktivität, Selbstständigkeit, Zeitmanagement, strukturiertes Präsentieren der Ergebnisse und je nach Gestaltung auch Teamarbeit.

Grundsätzliches zu begabungsförderlichen Methoden im Unterricht

Grundvoraussetzung für Begabungsförderung im Unterricht stellt eine Verflechtung von hohen Erwartungen an die Schüler:innen sowie eine Anerkennung ihrer Begabungen, aber auch ihrer Person an sich dar. Ein Grundprinzip bei der Auswahl der Methoden sollte folglich eine optimale Passung zwischen Lernangebot und Lernender/m sein. Teilhabe und Mitbestimmung spielen eine wichtige Rolle bei der Gestaltung von Begabungsförderung. Werden die (hochbegabten) Schüler:innen bei der inhaltlichen, didaktischen und methodischen Gestaltung einbezogen, kann dies dazu beitragen, die Motivation zu erhöhen und somit Minderleistung vorzubeugen.