Hochbegabte unterstützen

Schule

Individuelle Leistungsrückmeldung im Kontext von Begabungsförderung

Die Rückmeldung von Leistung spielt im Schulalltag eine große Rolle für Lehrkräfte, aber auch für Schüler:innen und Eltern. Auch im Zusammenhang mit Begabungsförderung ist sie elementar, denn davon auszugehen, Schüler:innen wüssten immer genau über ihre Begabungen Bescheid, ist ein Trugschluss. In diesem Artikel wird nach einer kurzen Einführung zum Thema „Leistung als Konstrukt“ der Frage nachgegangen, wie Leistungsbewertung in einer sich wandelnden Gesellschaft aussehen kann und welche Funktionen Leistungsbewertung im Kontext von Begabungsförderung ausüben kann.

Von: Carolin Kiso


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Ob du glaubst, du kannst es, oder es nicht glaubst – du hast recht. 1

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Leistung als Konstrukt

Wird davon ausgegangen, dass an diesem Zitat von Henry Ford etwas Wahres dran ist, kommt der Feedbackkultur im Schulalltag eine bedeutende Rolle zu. Gestützt wird das Zitat durch Studienergebnisse, die zeigen, dass eine ernst gemeinte, wertschätzende und persönlich adressierte Rückmeldung zu mehr Lern- und Leistungsmotivation bei den Schüler:innen führen kann 23. Durch eine solche Rückmeldung können die Schüler:innen ihre Leistungen und Erfolge besser wahrnehmen. Sie erleben ihre Selbstkompetenz und entwickeln die Gewissheit, selbstwirksam zu sein 4.

Im Folgenden wird zunächst den Fragen nachgegangen, wie eine Leistungsrückmeldung im Kontext der Begabungs- und Begabtenförderung aussehen kann und was es bedarf, damit sie fruchtbar ist. Im zweiten Teil dieses Textes werden anschließend konkrete Instrumente der Leistungsbewertung in den Blick genommen.

Was als Leistung aufgefasst und bewertet wird, ist von vielen Faktoren wie dem Betrachter bzw. der Betrachterin selbst, der Situation und auch der Gesellschaft, in der die Leistungserbringung stattfindet, abhängig. Die Fähigkeit eine ganze Klasse mit Witzen zu entertainen, kann beispielsweise von der einen Lehrkraft als große Kompetenz wahrgenommen werden, von einer anderen aber eher als sehr störend betrachtet und daher eher als Defizit deklariert werden. Auch der Zeitpunkt spielt bei der Beurteilung der Fähigkeit eine Rolle: Die Wahrscheinlichkeit, dass etwas als Stärke wahrgenommen wird, ist in der Unterrichtspause möglicherweise höher als während des Unterrichts, wenn konkrete andere Fähigkeiten gefordert sind. Leistung wird folglich ganz unterschiedlich bewertet und definiert. Sie stellt damit ein Konstrukt dar und wird in der Interaktion zwischen Schüler:innen und Lehrer:innen durch die Leistungsrückmeldung sozial konstruiert. Dabei können auch Beobachtungs- und Beurteilungsfehler zum Tragen kommen, die zu einer sozial ungerechten oder fachlich unangemessenen Leistungsbeurteilung führen können 5.

Elefant, der auf einem Seil balanciert
Bild: iStock/Mihaela Rosu

Leistung in einer sich wandelnden Gesellschaft

Eine weitere Herausforderung bei der Bestimmung dessen, was Leistung ist, liegt darin, dass diese vor dem Hintergrund bewertet werden müsste, welche Fähigkeiten in der Zukunft wichtig sind. Leistung in einer sich wandelnden, globalen und digitalen Gesellschaft sollte dann über leicht abrufbares Faktenwissen hinausgehen. Laut Müller-Oppliger umfasst sie zusätzlich „personale Fähigkeiten und Einstellungen (Leistung erbringen können und wollen), soziale Kompetenzen (mit anderen zusammen Probleme lösen und etwas bewirken können) sowie methodische und strategische Fähigkeiten (wissen, wie Aufgaben in bestimmten Situationen gelöst werden können)“ 6. Rückmeldung zu Selbstkompetenzen wie z. B. Anstrengungsbereitschaft, Selbstmotivation, Selbstvertrauen spielen damit auch in der Begabungsförderung eine Rolle. Es bedarf eines umfassenden ganzheitlichen Bildes der Schüler:innen 7 und eine entsprechende personorientierte Rückmeldung an diese 8, damit „[…] ein Kind, ein Jugendlicher seine Begabungen für sich erkennen, entwickeln und später auch für die Gesellschaft nutzbar machen kann“ 9. Auf Grund der dargestellten Herausforderungen bei der Definition von Leistung kann die Frage gestellt werden, wozu es dann überhaupt eine Bewertung der Leistung in Form von Notengebung durch die Lehrkraft braucht?

Funktionen von Leistungsbewertung und förderliche Faktoren im Zusammenhang mit Begabungsförderung

Die Bewertung von Leistung hat im schulischen Kontext verschiedene Funktionen. Sie dient unter anderem der Selektion, der Zuschreibung zu Schulformen oder der Zulassung zu einer Ausbildung 10. Insbesondere die Bewertung in Form von Noten „als Entscheidungsgrundlage für Auslese und Berechtigung“ 11 wird jedoch häufig kritisiert. Leistungsbewertung kann aber auch als Grundlage für pädagogische Entscheidungen zur weiteren Förderung und Begleitung des Lernprozesses genutzt werden. Eine Beurteilung der Lernstände und Fähigkeiten kann dazu dienen, Anknüpfungspunkte für weitere Lernfortschritte zu ermitteln und somit als Planungsgrundlage für den weiteren Unterricht genutzt werden, um eine individuelle Förderung für alle Lernenden zu gewährleisten und Unter- oder Überforderung zu vermeiden 4. Damit kommt ihr auch im Zusammenhang mit Begabungsförderung eine wichtige Funktion zu.

Wird Leistungsbewertung als Grundlage für pädagogische Entscheidungen genutzt, spielt neben der sozialen und kriterialen Bezugsnorm vor allem die individuelle Bezugsnorm eine entscheidende Rolle. Sie bietet dann einen guten Anknüpfungspunkt, wenn „man Leistungsbewertung unter dem Aspekt der Heterogenität der Lernenden und mit dem Anspruch der Einzelnen auf individuelle Förderung in ihrer jeweiligen »Zone nächster Entwicklung« (Vygotsky 1978) [betrachtet]“ 12. So gesehen ist die Individualnorm auch eine Bezugsnorm der Begabungs- und Begabtenförderung, da sie individuelle Anknüpfungspunkte für Leistungen bietet, die per definitionem, im Sinne von Hochbegabung, bereits über die Sozialnorm hinausgehen kann (Sternberg 2011, zitiert nach: Müller-Oppliger) 13.

Leistungsbewertung als Möglichkeit zur Reflexion des eigenen Lernprozesses

Dient Leistungsbewertung dazu, den Lernprozess zu verbessern und die weitere Entwicklung (der Begabungen) unterstützen zu wollen, kann sie auch die Funktion der Lernberatung und/oder des Lerncoachings einnehmen und Schüler:innen dabei helfen, ihre eigene Leistung einzuschätzen und zu (be)werten. Diese Partizipation an der Gestaltung der eigenen Lernprozesse kann dazu beitragen, die eigenen Begabungen und weitere Ressourcen, die zur Begabungsentfaltung wichtig sind, zu kennen, um sie ggf. bewusst einsetzen zu können. Damit die Schüler:innen darin unterstützt werden, ihren eigenen Lernprozess einzuschätzen und zu reflektieren, bedarf es einer Leistungsrückmeldung in Form eines Feedup, Feedback und Feedforward 14. Das Feedup verdeutlicht die Lernziele. Das Feedback zeigt den Schüler:innen auf, was sie bislang erreicht haben und wie ihr aktueller Lernstand ist, und das Feedforward weist Schüler:innen auf weitere Schritte zur Verbesserung der Lernprozesse und Leistung hin 14.

Dabei ist es vor allem im Zusammenhang von Begabtenförderung wichtig, nicht ausschließlich das Produkt, sondern auch den Lernprozess bei der Bewertung miteinzubeziehen. Denn hochbegabte Schüler:innen haben teilweise ganz eigene Denkstrategien, die zu einem vermeintlich „falschen“ Ergebnis führen. Wird eine Begründung für das Ergebnis angeführt, zeigen sich häufiger sehr komplexe Denkmuster. Insbesondere im Kontext eines individualisierten Unterrichts, in dem die Schüler:innen an unterschiedlichen Aufgaben mit unterschiedlichen Zielen und auf unterschiedlichen Lernwegen arbeiten können, ist eine individuelle Leistungsbewertung notwendig. In der Praxis werden hierfür häufig Instrumente der individuellen Leistungsbewertung herangezogen. Welches das passende Instrument darstellt, um die Förderung der Begabungen zu unterstützen und die nötige Motivation hervorzurufen, ist dabei vor allem von den Schüler:innen abhängig. Die Perspektive der Kinder und Jugendlichen sollte also mitbedacht werden. Aber auch die Rahmenbedingungen an der Schule und die Situationen im Kollegium und ganz besonders die Präferenz der Lehrkraft spielen eine entscheidende Rolle. Die Lehrkraft ist es letztlich, die mit dem Instrument arbeiten soll, möglichst Informationen und Anregungen für die Förderung gewinnen und den Schüler:innen in geeigneter Weise eine Rückmeldung über Leistungsstand, Leistungspotenzial und mögliche Lernansätze geben soll. Dies gelingt nur dann, wenn sie sich mit dem verwendeten Instrument wohlfühlt und identifizieren kann.

Einige ausgewählte stellen wir Ihnen im Vertiefungsteil zu diesem Artikel anhand von Steckbriefen vor (s. Kasten „Zur Vertiefung“ unten).

Fazit

Leistungsrückmeldungen unterstützen dann die Begabungsentwicklung der Kinder, wenn sie sich an den individuellen Begabungen der Kinder orientieren, wenn sie wertschätzend sind, die Schüler:innen in die Leistungsrückmeldung aktiv einbeziehen und zur Selbstreflexion der Leistung anregen, sowie ein Feedup, Feedback und Feedforward geben. Zudem lässt sich festhalten, dass ein Einbeziehen unterschiedlicher Perspektiven mehr und validere Informationen liefert 7. Darüber hinaus ist ein hohes Maß an Transparenz über die Bewertungskriterien sehr wichtig. Sie ermöglicht es den Schüler:innen sowie den Eltern, die Leistungsbeurteilung nachzuvollziehen. Dies führt zu einer höheren Akzeptanz der individuellen Leistungsbeurteilung sowohl bei den Schüler:innen und den Eltern als auch innerhalb des Kollegiums 9.

Zur Vertiefung

Portfolioarbeit

Individuelle Lernpläne und Lernkontrakte

Bildungs- und Lerngeschichten