Was versteht man unter Begabungs- und Begabtenförderung in der Schule und wie kann sie gelingen?

Die Begabungsförderung ist ein weitreichender Begriff, der die allgemeine Förderung aller Begabungen und Stärken von Kindern und Jugendlichen umfasst. Sie „hat das Ziel, die Entwicklung der Potenziale von Kindern und Jugendlichen bestmöglich zu unterstützen“ 1. Die Begabungsförderung umfasst dabei einen begabungsförderlichen Unterricht, der es allen Schüler:innen ermöglicht, an Lernherausforderungen zu wachsen sowie eigene Interessen und Stärken zu entdecken und zu erleben und vermittelt eine positive Einstellung zu Leistung. Damit führt begabungsfördernder Unterricht auch zu einer stärkenorientierten Persönlichkeitsentwicklung.
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Begabungsfördernder Unterricht unterstützt das Vertrauen der Schüler/innen in sich selbst und ihre Fähigkeiten, sodass sie es wagen, ihr Potenzial Schritt für Schritt weiterzuentwickeln, ohne sich selbst zu überfordern. 1
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Die Begabtenförderung ist ein Teil der Begabungsförderung. Sie fokussiert die Förderung begabter und hochbegabter Schüler:innen. Das sind diejenigen, „die sich von der Vergleichsgruppe durch höheres Leistungsvermögen und größeres Förderpotenzial (z. B. größere Lernfähigkeit, stärkerer Wissensdurst, höheres Lerntempo) unterscheiden, sodass in psychologischer, pädagogischer und didaktischer Hinsicht ein besonderer Umgang mit ihnen gefordert ist“ 2. In der Schule zählen dazu alle Angebote der Förderung, die die Fähigkeiten, Kompetenzen und besonderen Lernvoraussetzungen begabter Schüler:innen aufgreifen und dazu führen, dass sie sich weiter ausbilden. Die klassische Begabtenförderung teilt sich dabei in Angebote des Enrichments und der Akzeleration:
Enrichment meint die fachliche und didaktische Anreicherung der Angebote, wie beispielsweise differenzierende und komplexe Aufgabenstellungen, weiterführende und tiefergehende Fragestellung, mit denen sich die Schüler:innen auseinandersetzen können. Zu den Maßnahmen der Akzeleration, wörtlich übersetzt „Schullaufbahnbeschleunigung“, zählen z. B. das Überspringen von Klassenstufen oder das Teilspringen in einem Fach. Insgesamt gibt es eine Vielzahl an schulischen Angeboten und Maßnahmen der Begabtenförderung, sodass jede Schule Gestaltungsräume hat, das Passende für sich auszuwählen und umzusetzen.
Das Ziel der Begabtenförderung beschränkt sich nicht auf den kognitiven Erfolg und das Erreichen von Hochleistungen, sondern nimmt darüber hinaus die Persönlichkeitsentwicklung begabter Schüler:innen in den Blick. Das Ziel ist die Entwicklung eines positiven Selbstkonzeptes, das Bewusstsein für die eigenen Stärken, das Wissen um die eigenen Ressourcen und Fähigkeiten, um diese erfolgreich gewinnbringend für sich und die Gesellschaft einsetzen zu können 4. Das bedeutet, dass ein wesentliches Element der Begabtenförderung die Förderung von Selbst- und Sozialkompetenzen und sogenannten co-kognitiven Merkmalen ist. Hierzu gehören beispielsweise Lernstrategien, Aspekte der Selbstorganisation oder der Bereich der Motivation.
Damit die Begabtenförderung erfolgreich an einer Schule implementiert werden kann, ist es wichtig, dass sie sowohl von den Lehrpersonen als auch den Schüler:innen angenommen wird. Stehen die Lehrpersonen der Begabtenförderung kritisch gegenüber, hemmen sie die Nutzung und Aktivität der Schüler:innen. Daher kann es im ersten Schritt hilfreich sein, das eigene Begabungsverständnis an der Schule zu reflektieren. Wie verstehen wir Begabung? Wer gehört für uns zu den begabten Schüler:innen? Sind es „nur“ die Hochbegabten? Für welche Zielgruppe möchten wir ein Angebot ins Leben rufen? Wie sieht bei uns begabungsfördernder Unterricht aus? Spricht er alle Schüler:innen an, oder ist er für die begabten und hochbegabten Schüler:innen nicht ausreichend? Dieser Schritt schärft den Blick für bereits bestehende Angebote und neue Bedarfe 3.
Zugleich ist es sinnvoll, die Schüler:innen aktiv in die Gestaltung einzubeziehen. Sie sind die Akteur:innen der Begabtenförderung. Sie sollten die Chance haben, sich einzubringen, Lernräume und Settings für sich zu nutzen, um sich selbst und die eigenen Stärken und Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Dies ist erst dann möglich, wenn nicht Erwachsene von außen zu wissen meinen, was gut für die Schüler:innen ist, sondern diese als gleichwertige Expert:innen für sich anerkennen. Daher sollte eine gemeinsame Planung und Umsetzung erfolgen.
Eine erfolgreiche Begabtenförderung ist konstant. Kurze, einmalige Angebote erhöhen kurzfristig die Motivation, haben jedoch nur sehr geringe bis keine Auswirkungen auf eine nachhaltige Lern- oder Persönlichkeitsentwicklung. Daher ist es wichtig, dass Maßnahmen wie z. B. ein Drehtürmodell oder ein Teilspringen mindestens über ein gesamtes Schuljahr eingerichtet werden 3.