Hochbegabte unterstützen

Schule

Good Practice – Begabungsförderung und Begabungsgerechtigkeit an der Grundschule Lankow

Wie kann gelungene Begabungsförderung an einer Grundschule aussehen?

Von: Nicole Miceli und Carolin Kiso


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Wie aus einem kleinen Funken ein ganzes Feuerwerk wird

Unser Videobeitrag dokumentiert am Beispiel der Grundschule Lankow in Mecklenburg-Vorpommern anschaulich, wie die Förderung von begabten Kindern an dieser Schule konkret Gestalt annimmt. Es gibt praktische Beispiele, aber auch die theoretischen Grundlagen zu den Themen Begabungsgerechtigkeit und Begabungsförderung, besonders im Hinblick auf die Selbstkompetenzen, werden erklärt.

Die Grundschule Lankow ist Teilnehmerin des Projektes Karg Campus Schule Mecklenburg-Vorpommern 1.0.

Transkript

In dem Video kommen zu Wort:

Jamiro-Payam, Lotta und Thanh Thanh
Schüler:innen der Grundschule Lankow

Hannelore Schulze, Schulleiterin der Grundschule Lankow
Francie Keller, Lehrerin Grundschule Lankow
Ulrike Stark, Lehrerin Grundschule Lankow

Dr. Nicole Miceli und Dr. Carolin Kiso, Projektleitung Ressort Schule (Karg-Stiftung)
Mitarbeiterinnen der Karg-Stiftung


Jamiro-Payam: Also ich finde Schule gut …

Lotta: Mein Lieblingsfach ist Mathe.

Jamiro-Payam: … weil Schule gut für das Gehirn ist.

Thanh Thanh: Also ich find eigentlich alle Lehrer hier strengen sich gut an, damit die Kinder was schaffen und dass die Kinder halt auch bald einen guten Beruf kriegen. Das finde ich ganz toll von den Lehrern.

Hannelore Schulze: Wir befinden uns hier an der Grundschule Lankow. Die Grundschule Lankow befindet sich in einer Plattenbausiedlung. Und an unserer Schule lernen 420 Schülerinnen und Schüler.

Dr. Carolin Kiso: Der Auftrag der Karg-Stiftung ist seit mehr als 30 Jahren die Förderung des hochbegabten Kindes.

Dr. Nicole Miceli: Die Förderung konzentriert sich darauf, die Schülerinnen und Schüler darin zu unterstützen Kreativität, Leistungswille, Selbstkompetenzen und Fachkompetenzen zu entwickeln.

Dr. Carolin Kiso: Nah an den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler und des Schulalltags unterstützen wir Schulen dabei, innovative Ideen zu entwickeln und begleiten sie auf ihrem Weg hin zu einer begabungsförderlichen Schule.

Francie Keller: Die Zusammenarbeit mit der Karg-Stiftung lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Das ist einmal die Prozessbegleitung, einmal die Vernetzung und einmal die Fortbildung.

Dr. Nicole Miceli: Das Besondere an der Grundschule Lankow ist, dass hier eine sehr vielfältige und breite Begabungsförderung stattfindet.

Dr. Carolin Kiso: Ein Hauptaugenmerk legt die Grundschule Lankow auch auf die Selbstkompetenz, Förderung und auf die Förderung von Sozialkompetenzen.

Hannelore Schulze: Also durch die Karg-Stiftung ist uns ja bewusst geworden, wie wichtig es ist, bei den Kindern erst mal Begabungen herauszufinden und diese dann zu fördern. Der Anfang war richtig schwer, weil die Kollegen erst mal davon überzeugt werden mussten, dass zur Förderung von Begabung auch viel theoretisches Wissen gehört. Denn es ist noch wirklich sehr viel oder oft verbreitet, dass man sagt: Also ich kenne meine Kinder, ich weiß genau, was sie brauchen: Ein begabtes Kind in Mathematik [beispielsweise; Anm. d. Red.], der muss doch erst mal die Aufgaben, die ich ihm gebe, vollständig lösen, und dann gibt es nachher eine Zusatzaufgabe. Durch die Karg-Stiftung ist uns bewusst geworden, dass das genau der falsche Ansatz ist, dass man wirklich den Kindern die Begabungen zeigen – und irgendwo hat jeder sicherlich versteckt eine Begabung – und die müssen wir herauskitzeln.

Francie Keller: Ja, also bei der Grundschuldiagnose ist das so, dass das ein Onlineprogramm ist, wofür wir mittlerweile eine Schulträgerlizenz haben. Das ist meistens ein Test am Anfang des Schuljahres, in der Mitte und am Ende. Wenn sie dann damit fertig sind, dann wird automatisch eine Diagnose erstellt, eine Diagnostik, die dann der Kollege zum Beispiel eben auch nehmen kann für Elterngespräche. Und gleichzeitig wird auch ein Förderplan erstellt, sodass die Kinder individuell gefördert werden können. Auch im Unterricht wird dieser Förderplan gerne eingesetzt. Wenn die Kinder beispielsweise mit ihren Aufgaben frühzeitig fertig sind, dann können sie an ihrem Förderplan arbeiten. Das Lernbüro bei uns ist ja entstanden durch die Karg-Stiftung.

Lotta: Im Lernbüro bekomme ich schwierige Aufgaben. Dann werde ich auch noch da ein bisschen gefördert, dass ich nicht den langweiligen Teil im Unterricht machen muss.

Thanh Thanh: Also die bisschen begabt sind, die kriegen manchmal auch schwierige Aufgaben, damit die Begabten ein bisschen begabter noch werden.

Francie Keller: Also durch den Prozess der Begabtenförderung mit der Karg-Stiftung sind neue Ideen bei uns an Schule entstanden, beispielsweise machen wir jetzt zu Beginn des Schuljahres immer schon eine Klassenkonferenz , um gemeinsam mit dem Klassenlehrer und auch den Fachlehrern zu besprechen: Welche Kinder müssen gefördert werden? Gefordert werden? In welchen Bereichen? In welchen Fächern? Und wie können wir das Ganze gemeinsam umsetzen?

Dr. Carolin Kiso: Studien zeigen, dass es immer noch gerade in Deutschland soziale und institutionelle, vor allen Dingen, Benachteiligungen herrschen. Dort spielen auch häufig Stereotype eine Rolle. Für eine begabungsgerechte Schule ist es wichtig, für die Benachteiligung der Kinder und Jugendlichen sensibilisiert zu sein und mögliche bestehende Hürden abzubauen und Rahmenbedingungen zu schaffen, sodass wirklich jedes Kind dann auch seine Begabungen entfalten kann. Die Grundschule Lankow trägt, legt einen großen Schwerpunkt auf das Thema Begabungsgerechtigkeit. Zum Beispiel gibt es Schach und dort können die Schülerinnen und Schüler eben ihre kognitiven Begabungen relativ frei von Sprache entfalten.

Ulrike Stark: Begabtenförderung und Schach passen besonders gut zusammen, weil begabte Kinder geistige Herausforderungen lieben. Also sie müssen beim Schach ja Problemlösungen finden, sie müssen zu diesen Entscheidungen stehen. Sie lernen auch eine gewisse Toleranz beim Siegen und Verlieren. Die Kinder müssen beim Schachspiel die Züge erst mal geistig bereitstellen. Und sie können Ursache Wirkung Beziehungen durchschauen und Probleme leicht erkennen. Sie haben eine unwahrscheinlich gute Beobachtungsgabe, was für Schachspiel sehr wichtig ist. Hochbegabte Kinder wollen unbedingt die Lösung finden. Sie suchen so lange, bis sie das gefunden haben und sie haben da unwahrscheinlich viel Spaß dran und geben nicht auf.

Hannelore Schulze: Schach als Fach bringt viel. Das hat uns natürlich aber auch irgendwo an Grenzen gebracht. Wo bekomme ich die Stunden her? Deshalb sind wir eine volle Halbtagsschule geworden und haben somit die Möglichkeit, diese Dinge auch dann umzusetzen. Somit sind wir eben Schach-Schule geworden. Wir haben Yoga nach wie vor.

Thanh Thanh: Also Yoga hatten wir ja auch erste zweite Klasse als Fach und das hat mir ganz gut getan fand ich, ich habe mich nämlich schön ausgeruht, weil ich habe ja drei Geschwister zu Hause und die können manchmal echt nerven.

Hannelore Schulze: Durch Yoga lernen die Kinder, sich zu konzentrieren und zu entspannen. Und das ist etwas, was natürlich so ihr Selbstbewusstsein und auch ihre Selbstkompetenz fördert.

Dr. Nicole Miceli: Selbstkompetenzen sind Fähigkeiten, die dazu beitragen, dass jemand handlungsfähig ist, also zum Beispiel Selbstmotivation oder Selbstorganisation – Emotionskontrolle zum Beispiel. Selbstkompetenzen tragen entscheidend zur Begabungsentwicklung bei, weil Kinder dadurch, wenn sie keine Selbstkompetenzen haben, ihre Begabungen nicht zeigen können und das für Lehrkräfte dann unglaublich schwierig ist zu erkennen, ob Kinder den Stoff nicht kennen, also die Fachkompetenz nicht haben, oder ob die Selbstkompetenz fehlt, um Aufgaben lösen zu können.- Die Grundschule Lankow fördern das auch durch die Streitschlichter, beispielsweise. Da lernen die Kinder, andere Perspektiven zu übernehmen, ihre eigenen Emotionen zu kontrollieren.

Dr. Carolin Kiso: Dann gibt es noch das Zirkusprojekt an der Grundschule Lankow.

Dr. Nicole Miceli: Das Zirkusprojekt der Grundschule Lankow hilft den Kindern dabei, sich an neue Dinge heranzuwagen, Herausforderungen anzunehmen. Und das fördert natürlich enorm das Selbstbewusstsein und das Selbstbild.

Dr. Carolin Kiso: Auch das Zirkusprojekt trägt zu Begabungsgerechtigkeit bei, denn dort wird allen Kindern eine Bühne geboten und sie können ganz unabhängig dort sich ausprobieren, ihre Interessen frei entfalten. Und zählt eben nicht messbare Leistung, sondern sie können mit Hand, Kopf und Herz sich dort austoben.

Thanh Thanh: Also ich bin beim Zirkusprojekt ein Clown. Ich finde das ganz lustig, weil mein Trainer, der ist auch sehr lustig. Der macht gerne Quatsch und Soße mit uns und halt, dass ich auch dort in der Manege stehe, [finde ich gut; Anm. d. Red.] weil, ich bin eigentlich manchmal auf der Bühne sehr schüchtern, aber dort bin ich richtig mutig und das finde ich halt so gut.

Hannelore Schulze: Die Kinder lernen in dieser Zeit auch jahrgangsübergreifend. Die Gruppen sind gemischt von 1 bis 4. Da lernen sie eben die soziale Kompetenz. Sie lernen, sich zu überwinden. Wir als Lehrer staunen, was aus den Kindern herausgeholt wird, dass sie eben ihren Mut beweisen, dass sie miteinander auf einer ganz anderen Ebene kommunizieren. Dass sie eben vor diesem Riesenpublikum, wo sie ihre Darbietungen dann zeigen, dass sie da so selbstbewusst auftreten und mit Freude und strahlenden Augen dann dabei sind. Also das ist schon ein wunderbares Erlebnis für alle Beteiligten.

Dieses Brennen ist ganz wichtig. Also das geht so: Da ist ein kleiner Funke, entweder beim Kollegen oder bei mir selbst. Und wenn dieser Funke da ist, dann versuche ich in den Dienstberatungen, diesen Funken auch auf die Lehrer dann zu übertragen und dieses Team, das ist dann so begeistert und arbeitet intensiv dann an diesem Thema, sodass nach dem kleinen Funken irgendwann dann dieses Feuerwerk da ist.

Mitwirkende/Danksagung

Wir bedanken uns bei der Grundschule Lankow, insbesondere Hannelore Schulze und Francie Keller, den Lehrkräften, pädagogischen Fachkräften, Schüler:innen und Eltern und allen weiteren am Film Mitwirkenden sowie bei Annette Pilawa für die sehr gute Zusammenarbeit.

Regie: Annette Pilawa
Kamera/Schnitt: Marcus Brodt
Ton: Felix Schettler
Projektdurchführung: Dr. Nicole Miceli und Dr. Carolin Kiso, Ressort Schule (Karg-Stiftung)
Redaktion: Anja Gjaldbaek & Reingard Lipp, Ressort Fachmedien (Karg-Stiftung)