Diagnostik mit Intelligenztests

Beratung

THINK 1−4 – Test zur Erfassung der Intelligenz im Grundschulalter

Altersbereich: 1. – 4. Klasse (6 bis 11 Jahre)

Test-Typ: Einzel- und Gruppentest

Erscheinungsjahr: 2016

Verlag: Hogrefe, Göttingen

THINK 1−4 – Test zur Erfassung der Intelligenz im Grundschulalter

1 Beschreibung

1.1 Zielsetzung und Grundlagen

Der THINK 1−4 dient der Erfassung der allgemeinen kognitiven Leistungsfähigkeit bei Kindern der 1. bis 4. Grundschulklassen.

Die Entwicklung des Verfahrens orientierte sich an Modellen der Intelligenzstrukturforschung (CHC-Modell, McGrew, 2005; Radex-Modell, Marshalek, Lohman & Snow, 1983; Gf-Gc-Theorie, Cattell, 1963) und entwicklungspsychologischen Befunden (insbes. Investmenttheorie, Schweizer & Koch, 2001). Der THINK 1-4 erfasst hauptsächlich die fluide Intelligenz über logisch-schlussfolgerndes Denken im verbalen, figuralen und numerischen Bereich. Zudem erfasst ein Subtest den Wortschatz als Aspekt der kristallinen Intelligenz.

1.2 Aufbau

  • 8 Subtests (2 verbal, 3 numerisch, 3 figural) mit insgesamt 36 Aufgaben.
  • Pro Klassenstufe 1 bis 4 liegt eine eigene Testversion THINK 1 bis THINK 4 vor (z. T. überlappendes Aufgabenmaterial).
  • Keine Parallelformen.

1.3 Quellen

Baudson, T.G., Wollschläger, R. & Preckel, F. (2016). THINK 1−4. Test zur Erfassung der Intelligenz im Grundschulalter. Göttingen: Hogrefe.

2 Anwendung

2.1 Zusammenfassung

Der THINK 1-4 ist für die Anwendung in der Diagnostik intellektueller Hochbegabungen mit Einschränkungen geeignet.

Es kann kein Fähigkeitsprofil erstellt werden.

Vergleichswerte erlauben die Einordnung der Leistungsfähigkeit eines Kindes im Vergleich zu Kindern aus anderen Klassenstufen, was Akzelerationsentscheidungen unterstützen kann.

Es liegen keine Deckeneffekte für die vorgesehene Altersgruppe vor.

Der erreichbare Höchstwert liegt je nach Normgruppe bei IQ = 138 bis IQ >145.

2.2 Eignung als Screening

Als Screening eingeschränkt geeignet

Der THINK 1−4 ist als Gruppentest mit Gruppengrößen von bis zu 30 Kindern durchführbar.

Die Durchführungszeiten (Testzeit und Instruktionen) liegen ab Klasse 3 bei 45-50 Minuten.

In Klasse 1 und 2 wegen relativ langer Durchführungszeiten nicht als Screening geeignet (Klasse 1: 90 Minuten; Klasse 2: 85 Minuten).

2.3 Eignung zur Profilerstellung

Kein Fähigkeitsprofil möglich

Normwerte werden ausschließlich für den Gesamttestwert angeboten, daher ist die Erstellung eines Intelligenzprofils nicht möglich.

2.4 Eignung für die Schullaufbahnberatung

Für Schullaufbahnberatung weitestgehend geeignet

Die Validität wird über bedeutsame Zusammenhänge mit Schulleistungen und Lehrkrafteinschätzungen gestützt.

Vergleichswerte erlauben die Einordnung der Leistungsfähigkeit eines Kindes im Vergleich zu Kindern aus anderen Klassenstufen, was Akzelerationsentscheidungen unterstützen kann.

Aufgrund des eingeschränkten Messbereichs (fluide Intelligenz) nur in Kombination mit mehrdimensionalen Tests geeignet. Insbesondere Ergänzung um weitere Tests verbaler Fähigkeiten als wichtige Prädiktoren für Schulerfolg empfohlen (Vock, 2008).

2.5 Eignung für Selektionsentscheidungen

Für Selektionsentscheidungen eingeschränkt geeignet

Aufgrund des eingeschränkten Messbereichs (fluide Intelligenz) nur in Kombination mit mehrdimensionalen Tests geeignet.

Die internen Konsistenzen liegen um .80. Damit fallen die Konfidenzintervalle relativ groß aus, was Selektionsentscheidungen erschweren kann, die auf bestimmten Grenzwerten basieren.

3 Normierung

3.1 Vorbemerkungen

Keine speziellen Hinweise

3.2 Aktualität der Normen

Aktualität der Normen gegeben

Normierung: September 2012 bis Februar 2014

Klasse 1: Quartilsnormen für das Quartal 1, IQ-Normen für das Quartal 2;

ab Klasse 1, 2. Halbjahr, bis Klasse 4: Halbjahres-IQ-Normen.

Vergleichswerte pro Jahrgang: Für 34 der 36 Aufgaben aus THINK 1 und 3 sowie für 35 der 36 Aufgaben aus THINK 2 und 4 konnte die Passung des 1PL-Modells bestätigt werden. Für diese Aufgaben werden pro Testversion Prozentränge angeboten, mit denen die Leistungsfähigkeit eines Kindes in einer THINK Version mit der von Kindern aus anderen Klassenstufen bzw. THINK Versionen verglichen werden kann.

3.3 Repräsentativität der Normen

Repräsentativität der Normen gegeben

n = 2.850 Schüler/innen aus Grundschulen in BW, HE, MVP, NS, NRW und RLP.

Repräsentativität in Bezug auf Geschlechter-, Alters- sowie Stadt-Land-Verteilung und Verteilung nach Bildungsabschluss der Eltern geprüft. Zur Sicherung der Repräsentativität der Normen: post-hoc Gewichtung nach Bildungsabschluss der Eltern.

Pro Normgruppe keine signifikanten Geschlechterunterschiede (Ausnahme Klasse 1, zweites Halbjahr: Jungen erreichen bessere Werte; kleiner Effekt).

Testfairness der figuralen THINK-Aufgaben für Kinder mit Migrationshintergrund belegt. Vorteile von Kindern mit deutscher Muttersprache bei den verbalen und numerischen Aufgaben (mittlere Effekte).

4 Objektivität

4.1 Vorbemerkungen

Keine speziellen Hinweise

4.2 Durchführungsobjektivität

Durchführungsobjektivität gegeben

Standardisierte Instruktionen vorhanden. Angaben zu Reaktionen auf Nachfragen und zum Umgang mit Störungen vorhanden.

4.3 Auswertungsobjektivität

Auswertungsobjektivität gegeben

Auswertungshinweise (mit Beispielen) sowie Auswertungsschablonen vorhanden.

Hohe Auswertungsobjektivität für den Subtest „Reihenfortsetzen“ belegt (Interrater-Reliabilität: Cohen‘s Kappa zwischen .84 und 1.0).

4.4 Interpretationsobjektivität

Interpretationsobjektivität gegeben

Normwerte und Hinweise zur Interpretation (inklusive Fallbeispiele) vorhanden.

5 Reliabilität

5.1 Vorbemerkungen

Keine speziellen Hinweise

5.2 Paralleltest-Reliabilität

Entfällt (Kein Paralleltest vorhanden)

5.3 Testhalbierungsreliabilität

Testhalbierungsreliabilität gegeben

Ermittelt pro Normgruppe und komplettem Jahrgang.

Insgesamt ausreichende bis gute Werte: Die Testhalbierungsreliabilität der Quartilsnormen (1. Quartal, Klasse 1) liegt bei .63, die der IQ-Normen in den einzelnen Normgruppen (Klasse 1, Quartal 2 ; Halbjahresnormen ab Klasse 1, Halbjahr 2) zwischen .79 und .85.

Für die kompletten Jahrgänge liegen die Testhalbierungs-Reliabilitäten zwischen .82 und .88.

5.4 Retest-Reliabilität

Retest-Reliabilität weitestgehend gegeben

Nach Test-Retestintervallen von 13 bis 16 Monaten überwiegend ausreichende bis akzeptable Stabilitäten des Testwertes (Retest Klasse 1/2: .72, n = 10; Retest Klasse 2/3: .77, n = 29; Retest Klasse 3/4: .71, n = 51).

5.5 Interne Konsistenz

Interne Konsistenz gegeben

Ermittelt pro Normgruppe und komplettem Jahrgang. Insgesamt ausreichende bis gute Werte: Die interne Konsistenz der Quartilsnormen (1. Quartal, Klasse 1) liegt bei .64, die der IQ-Normen in den einzelnen Normgruppen (Klasse 1, Quartal 2; Halbjahresnormen ab Klasse 1, Halbjahr 2) zwischen .79 und .82.

Für die kompletten Jahrgänge liegen die internen Konsistenzen zwischen .82 und .88.

5.6 Profilreliabilität

Profilreliabilität entfällt (keine Profilerstellung möglich)

6 Validität

6.1 Vorbemerkungen

Keine speziellen Hinweise

6.2 Konstruktvalidität

Konstruktvalidität gegeben

Konfirmatorische Faktorenanalysen bestätigen für alle Klassenstufen das postulierte hierarchische Strukturmodell des THINK 1−4: Generalfaktor 2. Ordnung „allgemeine kognitive Fähigkeit“, Primärfaktoren 1. Ordnung „figurale Fähigkeit“, „verbale Fähigkeit“ und „numerische Fähigkeit“; insgesamt sehr gute Modellpassung.

Die Passung des 1-PL-Modells wurde für 34 der 36 Aufgaben aus THINK 1 und 3 sowie für 35 der 36 Aufgaben aus THINK 2 und 4 aufgezeigt.

6.3 Kriteriumsvalidität

Kriteriumsvalidität gegeben

Zusammenhänge mit anderen Intelligenztests

CFT 1-R (Weiß & Osterland, 2013): n = 42, Klasse 1 und n = 74, Klasse 2; hohe Korrelation in Klasse 1 (.79) und mittlere Korrelation in Klasse 2 (.38).

CFT 20-R (Weiß, 2006): n = 33, Klasse 3 und n = 76, Klasse 4; hohe Korrelationen in Klasse 3 (.75) und 4 (.70).

KFT 4-12+R (Heller & Perleth, 2000): n = 35, Klasse 4; mittlere bis hohe Korrelation mit KFT Gesamtwert (.66).

TCP (Muller & Martin, 2014): n = 104, Klasse 4; mittlere bis hohe Korrelation (.62).

HAWIK-IV (Petermann & Petermann, 2007): n = 22, Klasse 1, 3 und 4; mittlere bis hohe Korrelation der Gesamtwerte (.60).

Zusammenhänge mit Schulnoten

Mathematiknoten: n = 633, Klasse 3 und n = 884, Klasse 4, Normierungsstichprobe; mittlere Korrelationen (Klasse 3: .47; Klasse 4: .58).

Deutschnoten: n = 633, Klasse 3 und n = 884, Klasse 4, Normierungsstichprobe; mittlere Korrelationen (Klasse 3: .40; Klasse 4: .49).

Sachunterricht: : n = 625, Klasse 3 und n = 881, Klasse 4, Normierungsstichprobe; mittlere Korrelationen (Klasse 3: .33; Klasse 4: .48).

Geringere Zusammenhänge mit Noten in Kunst (.10-.20), Musik (.16-.30), Religion (.21-.33) und Sport (.17).

Zusammenhänge mit Lehrkrafteinschätzungen

Kognitive Fähigkeiten: n = 266/350/303/820 (Klasse 1/2/3/4), Normstichprobe; mittlere Zusammenhänge (.52 bis .63).

Kreativität: n = 264/350/301/815 (Klasse 1/2/3/4), Normstichprobe; mittlere Zusammenhänge (.42 bis .54).

Motivation: n = 268/350/308/818 (Klasse 1/2/3/4), Normstichprobe; mittlere Zusammenhänge (.43 bis .50).

Sozialverhalten: n = 253/351/298/821 (Klasse 1/2/3/4), Normstichprobe; niedrige Zusammenhänge (.12 bis .21).

Arbeitsverhalten: n = 268/350/310/820 (Klasse 1/2/3/4), Normstichprobe; mittlere Zusammenhänge (.37 bis .40).

Zusammenhänge mit Elterneinschätzungen

Kognitive Fähigkeiten: n = 341/442/616/863 (Klasse 1/2/3/4), Normstichprobe; niedrige bis mittlere Zusammenhänge (.31 bis .45).

Kreativität: n = 244/318/300/773 (Klasse 1/2/3/4), Normstichprobe; keine bedeutsamen Zusammenhänge (-.05 bis .07).

Motivation: n = 244/320/306/780 (Klasse 1/2/3/4), Normstichprobe; niedrige Zusammenhänge (.13 bis .28).

Sozialverhalten: n = 249/328/311/795 (Klasse 1/2/3/4), Normstichprobe; keine bedeutsamen Zusammenhänge (-.03 bis .13).

Arbeitsverhalten: n = 248/338/316/804 (Klasse 1/2/3/4), Normstichprobe; niedrige Zusammenhänge (.14 bis .29).

Zusammenhänge mit Selbsteinschätzungen der Kinder

Need for Cognition (Preckel & Strobel, 2011): n = 310/555/522/1002 (Klasse 1/2/3/4), Normstichprobe; niedrige Zusammenhänge des THINK-Testwerts mit der Selbsteinschätzung der Freude am Denken / des Bedürfnisses nach kognitiver Herausforderung (.03 bis .18).

Allgemeines akademisches Selbstkonzept (Baudson & Preckel, 2011): n = 245/323/302/792 (Klasse 1/2/3/4), Normstichprobe; mittlere Zusammenhänge (Ausnahme: Klasse 2) des THINK-Testwerts mit der Selbsteinschätzung der eigenen akademischen Fähigkeiten (.09 bis .34).

6.4 Prognostische Validität

Prognostische Validität weitestgehend gegeben

THINK 2 und Noten in Klasse 3: n = 25 bis 27; geringe bis mittlere Zusammenhänge (Mathematik: .25; Deutsch: .36; Mittelwert Mathe-/Deutsch-/Sachunterricht: .40; Sport: .28; Kunst: .04; Musik: .06; Religion: .22).

THINK 3 und Noten in Klasse 4: n = 52; mittlere bis hohe Zusammenhänge (Mathematik: .64; Deutsch: .65; Mittelwert Mathe-/Deutsch-/Sachunterricht: .74; Sport: .27; Kunst: .53; Musik: .57; Religion: .45).

7 Ökonomie

7.1 Vorbemerkungen

Keine speziellen Hinweise

7.2 Durchführungsökonomie

Durchführung ökonomisch

Gruppentestung möglich.
THINK 1 (reine Testzeit: ca. 51 Min., inkl. Instruktion ca. 90 Min.).
THINK 2 (reine Testzeit: ca. 45 Min., inkl. Instruktion ca. 85 Min.).
THINK 3 und 4 (reine Testzeit: ca. 35 Min., inkl. Instruktion 45-50 Min.).

7.3 Auswertungsökonomie

Auswertung ökonomisch

Manuelle Auswertung dauert ca. 10 Minuten.

8 Weiterführendes

8.1 Vorgängerversion

Keine.

8.2 Literaturangaben

Baudson, T.G. & Preckel, F. (2011). Validierung einer modifizierten Kurzfassung des Fragebogens zur Erfassung emotionaler und sozialer Schulerfahrungen für die Klassen 1 bis 3. Vortrag bei der 11. Arbeitstagung der Fachgruppe Differentielle Psychologie, Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik (26.–28. September 2011), Saarbrücken.

Cattell, R.B. (1963). Theory of fluid and crystallized intelligence: A critical experiment. Journal of Educational Psychology, 54, 1–22.

Heller, K.A. & Perleth, C. (2000). Kognitiver Fähigkeitstest für 4. bis 12. Klassen, Revision (KFT 4–12+R) (3., revidierte Aufl. des KFT 4–13+). Göttingen: Beltz.

Marshalek, B., Lohman, D.F. & Snow, R.E. (1983). The complexity continuum in the radex and hierarchical models of intelligence. Intelligence, 7, 107–127.

McGrew, K.S. (2005). The Cattell–Horn–Carroll theory of cognitive abilities. In D. P. Flanagan & P. L. Harrison (Hrsg.), Contemporary intellectual assessment: Theories, tests, and issues (2. Aufl.) (pp. 136−181). New York, NY: Guilford Press.

Muller, C. & Martin, R. (2014). Test of Cognitive Potential. [Version für Tablet-PCs]. Unveröffentlichtes Instrument. Universität Luxembourg, Luxembourg.

Petermann, F. & Petermann, U. (2007). Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für Kinder – IV (HAWIK-IV). Bern: Huber.

Preckel, F. & Strobel, A. (2011). Grundschul-NFC: Eine Skala zur Erfassung von Need for Cognition bei Grundschulkindern. Unveröffentlichtes Forschungsinstrument. Lehrstuhl für Hochbegabtenforschung und -förderung, Universität Trier, Trier.

Schweizer, K. & Koch, W. (2001). A revision of Cattell’s investment theory: Cognitive properties influencing learning. Learning and Individual Differences, 13, 57–82.

Vock, M. (2008). Non-verbaler Intelligenztest (SON-R 2½-7). Dt. Standardisierung von P.J. Tellegen, J.A. Laros & F. Petermann. Unter Mitarbeit von Nina Janke, Norbert Karpinski und Anja Renziehausen (2007) [Testinformation]. Diagnostica, 54, 112-115.

Weiß, R.H. (2006). Grundintelligenztest Skala 2 – Revision (CFT 20-R). Göttingen: Hogrefe.

Weiß, R.H. & Osterland, J. (2013). Grundintelligenztest Skala 1 – Revision (CFT 1-R). Göttingen: Hogrefe.