Diagnostik mit Intelligenztests

Beratung

WAIS-IV – Wechsler Adult Intelligence Scale – Fourth Edition

Altersbereich: 16;0 bis 89;11 Jahre

Test-Typ: Einzeltest

Erscheinungsjahr: 2012

Verlag: Pearson, Frankfurt am Main

WAIS-IV – Wechsler Adult Intelligence Scale – Fourth Edition

1 Beschreibung

1.1 Zielsetzung und Grundlagen

Die WAIS-IV dient der Erfassung der allgemeinen Intelligenz und von spezifischeren kognitiven Fähigkeiten bei Jugendlichen ab 16 Jahren und bei Erwachsenen.

Theoretisch basiert die WAIS-IV auf der Cattell-Horn-Caroll-Theorie (CHC-Theorie; McGrew, 2009). Diese fasst Intelligenz als ein hierarchisches Konstrukt auf, welches sich aus allgemeinen und spezifischen kognitiven Fähigkeiten zusammensetzt. Während die Vorgängerversion WAIS-III bzw. WIE noch einen Verbal- und Handlungs-IQ und als Integral daraus die allgemeine Intelligenz erfasst, werden in der WAIS-IV die Indizes Sprachliches Verständnis, Wahrnehmungsgebundenes Logisches Denken, Arbeitsgedächtnis und Verarbeitungsgeschwindigkeit erfasst. Durch die Zusammenfassung der vier Indizes kann der Gesamt-IQ im Sinne eines g-Faktors der allgemeinen Intelligenz gebildet werden.

1.2 Aufbau

  • 10 Kern-Subtests: Mosaik-Test (MT), Gemeinsamkeiten finden (GF), Zahlen nachsprechen (ZN), Matrizen-Test (MZ), Wortschatz-Test (WT), Rechnerisches Denken (RD), Symbolsuche (SYS), Visuelle Puzzles (VP), Allgemeines Wissen (AW), Zahlen-Symbol-Test (ZST).
  • 5 optionale Subtests: Buchstaben-Zahlen-Folgen (BZF), Formenwaage (FW), Allgemeines Verständnis (AV), Durchstreichtest (DT), Bilder ergänzen (BE).
  • Die Subtests werden zu vier Indizes zusammengefasst: (1) Sprachverständnis SV (Subtests: GF, WT, AW; optional: AV), (2) Wahrnehmungsgebundenes Logisches Denken WLD (Subtests: MT, MZ, VP; optional: FW, BE), (3) Arbeitsgedächtnis AGD (Subtests: ZN, RD; optional: BZF), (4) Verarbeitungsgeschwindigkeit VG (Subtests: SYS, ZST; optional: DT).
  • Der Gesamtwert über alle Subtests wird im Sinne des g-Faktors als Maß der allgemeinen Intelligenz interpretiert.
  • Als optionaler Gesamtwert kann ein Allgemeiner Fähigkeits-Index (AFI) über die drei Kern-Subtests der Indizes SV und WLD gebildet werden.
  • Keine Parallelform vorhanden.

1.3 Quellen

Petermann, F. (Hrsg.) (2012). WAIS-IV. Wechsler Adult Intelligence Scale – Fourth Edition. Deutschsprachige Adaptation der WAIS-IV von D. Wechsler. Frankfurt a. M.: Pearson Assessment.

2 Anwendung

2.1 Zusammenfassung

Die vorhandenen Angaben liefern keine ausreichende Bewertungsgrundlage zur Beurteilung der Eignung der WAIS-IV für die Hochbegabungsdiagnostik.

Ausreichende Validitätsangaben und Angaben, die eine Einschätzung der Differenzierungsfähigkeit des Tests im Bereich hoher Begabung erlaubten, fehlen.

Die Datengrundlage ist für alle Normgruppen eher klein.

Der Gebrauch des alternativen Gesamtwerts AFI für die Hochbegabungsdiagnostik wird im Manual erwähnt, aber mit Verweis auf Studien zum WISC-IV (z. B. Daseking, Petermann & Waldmann, 2008) nicht weiter erläutert.

Der erreichbare Höchstwert liegt bei IQ = 150 für die vier Indizes und bei IQ = 160 für den Gesamt-IQ.

2.2 Eignung als Screening

Als Screening nicht geeignet

Nicht als Gruppentest durchführbar.

Durchführungszeiten durchschnittlich bis zu 90 Minuten (nur Kern-Subtests) oder 115 Minuten (alle 15 Subtests).

2.3 Eignung zur Profilerstellung

Fähigkeitsprofil möglich

Erstellung eines Fähigkeitsprofils über die vier Indizes und den Gesamt-IQ sowie Erstellung eines Wertpunkt-Profils über die Subtests möglich.

Angabe von kritischen Differenzen und Grundraten der Differenzwerte vorhanden.

2.4 Eignung für die Schullaufbahnberatung

Für die Schullaufbahnberatung nicht geeignet

Mehrdimensionaler Test mit Altersnormen für Schüler/innen, aber Normen erst ab 16 Jahren mit zu geringer Datengrundlage; keine schulartspezifischen Normen.

Keine Angaben zur Kriteriumsvalidität im Hinblick auf Schulleistungen.

Keine Fallbeispiele oder Interpretationshilfen im Kontext der Schullaufbahnberatung.

2.5 Eignung für Selektionsentscheidungen

Angaben zur Beurteilung der Eignung für Selektionsentscheidungen nicht ausreichend

Sehr gute Reliabilitäten der Indizes und des Gesamtwerts und damit genaue Messung und relativ kleine Konfidenzintervalle.

Um Deckeneffekte zu vermeiden, wurden neue Aufgaben in den WAIS-IV aufgenommen, jedoch fehlen Angaben zu Itemschwierigkeiten und Testwertverteilungen.

3 Normierung

3.1 Vorbemerkungen

Keine speziellen Hinweise

3.2 Aktualität der Normen

Aktualität der Normen gegeben

Normierung: Februar bis August 2012.

Alternsnormen: Wertpunktäquivalente für Rohwertsummen in den Subtests; Index-Wert-Äquivalente (IQ-Normen) für Wertpunktsummen in den vier Indizes, IQ-Äquivalente, PR und Vertrauensintervalle für Wertpunktsummen über alle Subtests.

Normgruppen (Alter in Jahre; Monate): 16;0-17;11 (n=122), 18;0-19;11 (n=88), 20;0-24;11 (n=158), 25;0-29;11 (n=130), 30;0-34;11 (n=102), 35;0-44;11 (n=154), 45;0-54;11 (n=156), 55;0-64;11 (n=114), 65;0-69;11 (n=124), 70;0-74;11 (n=118), 75;0-79;11 (n=78), 80;0-84;11 (n=48), 85;0-89;11 (n=33).

3.3 Repräsentativität der Normen

Repräsentativität der Normen eingeschränkt gegeben

N = 1.425, 16;0 bis 89;11 Jahre.

Die Normstichprobe wurde unter Bezug auf Angaben des statistischen Bundesamtes nach Geschlecht, Schulabschluss, Migrationshintergrund und regionaler Verteilung geschichtet. Genauere Informationen und Angaben zur Stichprobengewinnung fehlen.

4 Objektivität

4.1 Vorbemerkungen

Die WAIS-IV ist ein komplexes und aufwändiges Verfahren, so dass die Objektivität in besonderer Weise von der Qualifikation der Testleiterin bzw. des Testleiters abhängt.

4.2 Durchführungsobjektivität

Durchführungsobjektivität gegeben

Standardisierte Instruktionen und ausführliche Beschreibungen zur Testdurchführung, Durchführungshinweise in Protokollbögen und Stimulus-Büchern sowie Angaben zu typischen Durchführungsfehlern vorhanden.

4.3 Auswertungsobjektivität

Auswertungsobjektivität weitestgehend gegeben

Auswertungsschablonen und genaue Auswertungshinweise inklusive Auswertungsbeispielen sowie Angaben zu typischen Auswertungsfehlern vorhanden. Testauswertung jedoch komplex und dadurch relativ fehleranfällig (Schroth, 2013).

Computergestütztes Auswertungsprogramm vorhanden (muss zusätzlich erworben werden).

4.4 Interpretationsobjektivität

Interpretationsobjektivität gegeben

Normwerte sowie ausführliche Interpretationshinweise für die Testleistung und zur Durchführung und Interpretation einer optionalen Prozessanalyse und einer Profilanalyse vorhanden.

5 Reliabilität

5.1 Vorbemerkungen

Keine speziellen Hinweise

5.2 Paralleltest-Reliabilität

Paralleltest-Reliabilität entfällt

Kein Paralleltest vorhanden.

5.3 Testhalbierungsreliabilität

Testhalbierungsreliabilität gegeben

Sehr gute Split-half-Reliabilitätskoeffizienten (minderungskorrigiert nach Spearman-Brown) der Indizes (.90-.97) und des Gesamt-IQ (.98). Koeffizienten für die Subtests gut bis sehr gut (.78-.93).

5.4 Retest-Reliabilität

Retest-Reliabilität gegeben

Zweimalige Testung von 166 Personen mit durchschnittlichem Abstand von 34 Tagen zwischen Testungen; hohe Stabilität der Indizes (.81-.91) und des Gesamt-IQ (.94); Koeffizienten für die Subtests mittel bis hoch (.61-.85).

5.5 Interne Konsistenz

Keine Angaben zur internen Konsistenz

5.6 Profilreliabilität

Keine Angaben zur Profilreliabilität

6 Validität

6.1 Vorbemerkungen

Keine speziellen Hinweise

6.2 Konstruktvalidität

Konstruktvalidität eingeschränkt gegeben

Angaben zur faktoriellen Validität stützen die angenommene 4-Faktoren-Struktur durch erwartungskonforme Interkorrelationen der Untertests und Indizes sowie konfirmatorische Faktorenanalysen.

Personen mit intellektueller Hochbegabung (n = 19) zeigen deutlich höhere Leistungen (mittlere bis große Effekte) und Personen mit intellektueller Minderbegabung (n = 53) zeigen deutlich geringere Leistungen (große Effekte) in der WAIS-IV als parallelisierte Kontrollgruppen. Genaue Angaben zur Parallelisierung und zu den Kontrollgruppen fehlen.

Abschließende Beurteilung der Konstruktvalidität aufgrund fehlender Angaben (z. B. zur konvergenten oder diskriminanten Validität) nicht möglich.

6.3 Kriteriumsvalidität

Angaben zur Kriteriumsvalidität fehlen

6.4 Prognostische Validität

Angaben zur prognostischen Validität fehlen

7 Ökonomie

7.1 Vorbemerkungen

Keine speziellen Hinweise

7.2 Durchführungsökonomie

Durchführung aufwändig

Gruppentestung nicht möglich.

Durchführungszeit variiert mit Intelligenzniveau der Testperson; Kern-Subtests bis etwa 90 Minuten, alle 15 Subtests bis etwa 115 Minuten.

7.3 Auswertungsökonomie

Auswertung weitestgehend ökonomisch

Keine Angaben zur Dauer der manuellen Auswertung, jedoch aufgrund der vielfältigen Auswertungsmöglichkeiten schätzungsweise 15-20 Minuten pro Testperson (Schroth, 2013).

Die Auswertung kann durch das computerbasierte Auswertungsprogramm erleichtert werden.

8 Weiterführendes

8.1 Vorgängerversion

Aster, M. v., Neubauer, A. & Horn, R. (Hrsg.) (2006). WIE. Wechsler Intelligenztest für Erwachsene. Deutschsprachige Bearbeitung und Adaptation des WAIS-III von David Wechsler. Frankfurt a. M.: Harcourt.

8.2 Literaturangaben

Daseking, M., Petermann, F. & Waldmann, H.-C. (2008). Der allgemeine Fähigkeitsindex (AFI) – eine Alternative zum Gesamt-Intelligenzquotienten (G-IQ) des HAWIK-IV? Diagnostica, 54, 211-220.

McGrew, K. (2009). CHC theory and the human cognitive abilities project: Standing on the shoulders of the giants of psychometric intelligence research. Intelligence, 37, 1–10.

Schroth, J. (2013). WAIS-IV. Wechsler Adult Intelligence Scale. PSYNDEX Tests Review, online unter www.zpid.de/retrieval/PSYNDEXTests.php?id=9006581 [Abruf am 22.09.2017].