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Unterstützung für Underachiever – Was hilft?

Studien zeigen die Wirksamkeit verschiedener Interventionsansätze für Underachiever. Sowohl instruktionale als auch beraterische Ansätze können sich positiv auf die Leistungen und insbesondere das psychosoziale Wohlbefinden der Betroffenen auswirken.

März 2022

Von: Dr. Catharina Tibken


Als Lehrkraft oder Elternteil kann es sehr belastend sein, wenn man feststellt, dass das eigene Kind oder ein:e Schüler:in Underachiever ist. Das Umfeld sieht das kognitive Potenzial der betroffenen Kinder und Jugendlichen und ist oft ratlos. Warum schaffen es die Schüler:innen trotz hoher Intelligenz nicht, gute Schulleistungen zu erzielen? Wie kann ich als Lehrkraft oder Elternteil am besten unterstützen? Sollte ich das Kind häufiger zum Lernen anhalten? Fehlen grundlegende Kompetenzen für einen nachhaltigen Lernerfolg, die es nachzuholen gilt? Würde eine individuelle Begleitung helfen?

Kompetenzen vermitteln und die Schüler:innen begleiten

In der psychologischen Forschung zu Underachievement [1] werden zwei grundlegende Formen von Interventionsansätzen unterschieden, die Underachiever darin unterstützen sollen, ihr kognitives Potenzial besser zu entfalten und mögliche psychische Belastungen (z.B. aufgrund von Misserfolgserlebnissen) zu mindern: Instruktionale Ansätze und beraterische Ansätze.

Bei instruktionalen Ansätzen liegt der Fokus auf der Vermittlung von Kompetenzen, die den Underachievern noch fehlen, um gute Schulleistungen zu erzielen. Theoretische Modelle wie das von Preckel et al. [2] legen nahe, dass gerade in der späteren Kindheit und ab dem Jugendalter neben einer hohen Intelligenz weitere Faktoren wichtig sind, um überdurchschnittliche Leistungen erbringen zu können. Dazu zählen etwa fachliches Interesse, ein positives Selbstkonzept, die Fähigkeit, den eigenen Lernprozess überwachen und regulieren zu können, oder der Umgang mit Stress.

Unsere eigene Forschung [3] deutet darauf hin, dass gerade die Überwachung und Regulierung des eigenen Lernprozesses (sog. metakognitive Kompetenzen) eine wichtige Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Underachievement spielen könnten. Ein Training metakognitiver Kompetenzen wäre somit ein vielversprechender Ansatzpunkt für eine instruktionale Intervention. In dem seit 2022 von der Karg-Stiftung geförderten Forschungsprojekt soll ein solches Trainingsprogramm entwickelt und in seiner Wirksamkeit überprüft werden.

Zu den beraterischen Ansätzen zählen vielfältige Angebote, die von Beratungen durch Psycholog:innen über Mentorenprogramme bis hin zu Netzwerken zur gegeneiseitigen Unterstützung zwischen Schüler:innen reichen. Ziel dieser Angebote ist jeweils eine individuelle Unterstützung und Begleitung der Underachiever durch das Vermitteln sozialer Eingebundenheit und der Arbeit an individuellen Stärken und akademischen Zielsetzungen.

Wie wirksam sind die verschiedenen Ansätze?

Eine Metaanalyse von Steenbergen-Hu et al. [1], also eine Überblickarbeit, die die Ergebnisse vieler Einzelstudien zusammenführt, zeigte, dass instruktionale Ansätze im Vergleich zu beraterischen Ansätzen einen positiveren Effekt auf die Leistungsentwicklung haben. Auf den psychosozialen Bereich gab es positive Auswirkungen sowohl von instruktionalen als auch von beraterischen Ansätzen. Hier waren die Effekte der beraterischen Angebote etwas größer.

Abhängig von dem individuellen Ziel und eventuell auch Alter der Schüler:innen sind daher unterschiedliche Ansätze sinnvoll. Wenn es vor allem um eine Verbesserung der Schulleistungen geht, sollte eher eine direkte Vermittlung fehlender Kompetenzen, z.B. ein Lernstrategietraining, erfolgen. Gibt es größere Schwierigkeiten im sozial-emotionalen Bereich ist – unabhängig davon, ob diese als Ursache oder als Folge von Underachievement auftreten – zunächst oft eine individuelle Beratung oder Begleitung erfolgversprechend, um eine Grundmotivation für den (meist anstrengenden) Erwerb neuer Kompetenzen zu schaffen. Auch eine Kombination beider Ansätze ist möglich.

Erste Ansprechpartner

Weitere Informationen, Veranstaltungshinweise und Unterstützungsangebote für Eltern und Fachkräfte finden Sie bei spezialisierten Begabungsberatungsstellen oder auch vor Ort bei Schulpsycholog:innen.

 

Dr. Catharina Tibken forscht an der Universität Würzburg zu Ursachen von Underachievement und entwickelt zurzeit im Rahmen eines von der Karg-Stiftung geförderten Projekts ein Trainingsprogramm für Underachiever. Sie ist als Dozentin in der Pädagogischen Psychologie und in der Familienberatung der Begabungspsychologischen Beratungsstelle der Universität Würzburg tätig.

 

Literatur

[1] Steenbergen-Hu, S., Olszewski-Kubilius, P., & Calvert, E. (2020). The effectiveness of current interventions to reverse the underachievement of gifted students: Findings of a meta-analysis and systematic review. Gifted Child Quarterly, 64(2), 132–165. https://doi.org/fnj2

[2] Preckel, F., Golle, J., Grabner, R., Jarvin, L., Kozbelt, A., Müllensiefen, D., Olszewski-Kubilius, P., Schneider, W., Subotnik, R., Vock, M., & Worrell, F. C. (2020). Talent development in achievement domains: A psychological framework for within- and cross-domain research. Perspectives on Psychological Science, 15(3), 691–722. https://doi.org/ghd3z9

[3] Tibken, C., Richter, T., von der Linden, N., Schmiedeler, S., & Schneider, W. (2022). The role of metacognitive competences in the development of school achievement among gifted adolescents. Child Development, 93(1), 117-133. https://doi.org/10.1111/cdev.13640 (open access)