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Thysanoptera

Die schwüle Wetterlage birgt das ein oder andere Gewitter in sich. Und mit diesem häufen sich auch die Begegnungen mit dem ein oder anderen Fransenflügler, dem so genannten Thysanoptera. Die Fransenflügler heißen im Übrigen so, weil sie Fransen an den Flügeln haben.

Juni 2011

Von: Götz Müller


Die schwüle Wetterlage birgt das ein oder andere Gewitter in sich. Und mit diesem häufen sich auch die Begegnungen mit dem ein oder anderen Fransenflügler, dem so genannten Thysanoptera. Die Fransenflügler heißen im Übrigen so, weil sie Fransen an den Flügeln haben.

Der Fransenflügler lebt fast überall, ernährt sich von Pflanzen und schädigt damit laut Wikipedia die Landwirtschaftsindustrie in Höhe von 1 Mrd. US-Dollar. Seine Art, sich vor Feinden zu schützen, ist einer besonderen Erwähnung wert, denn mittels Mimikry tarnt er sich, indem er für den Angreifer ungenießbare oder gefährliche Tiere imitiert. Aber eigentlich ist er als Gewittertierchen berühmt, denn sobald die schwüle Luft drückt, kommen wir in Berührung mit dem Fransenflügler, der sich kaum spürbar auf unserer Haut niederlässt.

Die Fähigkeit, diesen sehr leichten Abschnittsgefährten zu erspüren, wird sicherlich mit den Mechanosensoren der Haut verknüpft sein. Deren Detektionsfähigkeiten wiederum mögen sich individuell unterscheiden: Der eine ist sensitiver für Berührung als der andere. Vielleicht könnte man gar soweit gehen, dass diejenigen, die die Berührung mit Fransenflüglern überhaupt oder früher registrieren, über eine besondere taktile Wahrnehmung verfügen.

Sophia, eine hochbegabte Jugendliche, hat mir gerade von ihrer Berührung mit einem Fransenflügler erzählt und mich damit daran erinnert, dass so manches Mal, nein, eher sehr häufig in der Praxis die Beschreibung von „Hypersensibilität“ bei hochbegabten Kindern auftaucht. Man erhält tatsächlich oft die Information, sie seien sehr geräuschsensibel oder empfindlich, wenn die Schildchen in der Kleidung nicht herausgeschnitten worden seien. Bitte Vorsicht: Der Begriff der Sensibilität täuscht hier ein wenig, da nicht die subjektive Bewertung als unangenehm im Vordergrund steht, sondern zunächst die einfache Wahrnehmung an sich. Viele Autoren haben dieses Moment aufgegriffen und beschreiben es unterschiedlich, doch begegnen sie sich in einem Punkt: der Hypersensitivität.

Lernen als Verarbeitung von Informationen basiert auf der Wahrnehmung von Informationen. Nur wer wahrnimmt, der kann die wahrgenommenen Informationen verarbeiten. Eine alleinige Verarbeitung von Informationen ist nicht möglich – erst einmal wahrnehmen. Unter Berücksichtigung dieser Annahme ist der Schritt nicht fern, hieraus abzuleiten, dass womöglich die grundlegenden sensorischen Prozesse die später auftauchende intellektuelle Leistung bedingen. Wer schlechter bzw. weniger wahrnimmt, ist im nächsten Schritt der Verarbeitung bereits schlechter aufgestellt als derjenige, der besser bzw. mehr wahrnimmt. So kann angenommen werden, dass die durch Wahrnehmung ermöglichten gespeicherten neuronalen Muster bei besserer Wahrnehmungsfähigkeit insgesamt eine differenziertere Gehirnarchitektur bilden. Und dies scheint wiederum eine gute Grundlage für intelligentes Verhalten. Somit muss Hochbegabung mit Hochsensitivität verbunden sein. Vielleicht aber könnte Hochbegabung auch mit Hochsensitivität gleichzusetzen sein.

Ich danke dem Fransenflügler für seine Unterstützung und schließe mit einem Warnhinweis: Sollten Sie diesen Blog über einen TFT-Monitor in der Abendstunde lesen, achten Sie bitte darauf, dass der fotophile Fransenflügler nicht durch die Lüftungsschlitze ins Innere des Monitors krabbelt. Nur wenige Hersteller sehen dies als Garantiefall an ...