Diagnostik mit Intelligenztests
WISC-V – Wechsler Intelligence Scale for Children – Fifth Edition
Altersbereich: 6;0 bis 16;11 Jahre
Test-Typ: Einzeltest
Erscheinungsjahr: 2017
Verlag: Pearson, Frankfurt am Main

1 Beschreibung
1.1 Zielsetzung und Grundlagen
Die WISC-V dient der Erfassung der allgemeinen Intelligenz und von spezifischeren kognitiven Fähigkeiten bei Kindern und Jugendlichen zwischen 6 bis 16 Jahren.
Theoretisch basiert die WISC-V auf aktuellen Forschungsergebnissen der Intelligenzstrukturforschung, der Arbeitsgedächtnisforschung und der entwicklungsbezogenen neurokognitiven Forschung. Der WISC-V liegt dabei ein hierarchisches Intelligenzmodell zugrunde: einem übergeordneten Faktor der allgemeinen Intelligenz im Sinne von Spearmans g-Faktor sind fünf spezifische kognitive Fähigkeiten untergeordnet. Entsprechend können neben einem Gesamt-IQ fünf primäre Indizes gebildet werden. Diese sind Sprachverständnis, Visuell-räumliche Verarbeitung, Fluides Schlussfolgern, Arbeitsgedächtnis und Verarbeitungsgeschwindigkeit. Für die Beantwortung spezifischer (klinischer) Fragestellung können zusätzlich fünf sekundäre Indizes gebildet werden (Quantitatives Schlussfolgern, Auditives Arbeitsgedächtnis, Nonverbaler Index, Allgemeiner Fähigkeitsindex, Kognitiver Leistungsindex).
1.2 Aufbau
- Adaptation der amerikanischen Originalversion mit 21 Subtests, von denen 15 Subtests in die deutschsprachige Version übernommen wurden (im Hinblick auf Itemanzahl und –reihenfolge unverändert für nonverbale Subtests; Anpassung verbaler Subtests nach Erprobung mit 106 Kindern und Jugendlichen).
- 10 primäre Subtests: Gemeinsamkeiten finden (GF), Wortschatz-Test (WT), Mosaik-Test (MT), Visuelle Puzzles (VP), Matrizen-Test (MZ), Formenwaage (FW), Zahlen nachsprechen (ZN), Bilderfolgen (BF), Zahlen-Symbol-Test (ZST) und Symbolsuche (SYS).
- 5 sekundäre Subtests: Allgemeines Wissen (AW), Allgemeines Verständnis (AV), Buchstaben-Zahlen-Folgen (BZF), Durchstreichtest (DT) und Rechnerisches Denken (RD).
- Die Subtests können zu fünf primären und fünf sekundären Indizes zusammengefasst werden.
- Primäre Indizes: Sprachverständnis (Subtests GF & WT), Visuell-räumliche Verarbeitung (Subtests MT & VP), Fluides Schlussfolgern (Subtests MT & FW), Arbeitsgedächtnis (Subtests ZN & BF) und Verarbeitungsgeschwindigkeit (Subtest ZST & SYS).
- Sekundäre Indizes: Quantitatives Schlussfolgern (Subtests FW & RD), Auditives Arbeitsgedächtnis (Subtests ZN & BZF), Nonverbaler Index (Subtests MT, VP, MZ, FM, BF, & ZST), Allgemeiner Fähigkeitsindex (Subtests GF, WST, MT, MZ & FW) und Kognitiver Leistungsindex (Subtests ZN, BF, ZST & SYS).
- Der Gesamt-IQ wird über die Leistung in sieben primären Subtests bestimmt (MT, GF, MZ, ZN, ZST, WT & FW).
- Möglichkeit zur Analyse von Prozesswerten, um Zusatzinformation zum Zustandekommen einer Subtestleistung zu erhalten.
- Es existiert keine Parallelform.
1.3 Quellen
Petermann, F. (2017). WISC–V. Wechsler Intelligence Scale for Children – Fifth Edition. Deutschsprachige Adaptation der WISC-V von David Wechsler. Frankfurt a. M.: Pearson Assessment.
2 Anwendung
2.1 Zusammenfassung
Die vorhandenen Angaben liefern keine ausreichende Bewertungsgrundlage zur Beurteilung der Eignung der WISC-V für die Hochbegabungsdiagnostik.
Der Test baut auf der langen Tradition der Wechsler-Tests auf, in die Neukonzeption sind aktuelle Befunde der Intelligenzforschung eingeflossen und zum amerikanischen Original liegen relevante Forschungsarbeiten vor. Doch unterscheidet sich die deutsche Fassung vom Original (u. a. 15 statt 21 Subtests).
Es fehlen für die deutsche Adaptation ausreichende Angaben zur Validität und zur Differenzierungsfähigkeit des Tests im Bereich hoher Begabung. Das Manual enthält Hinweise auf Deckeneffekte.
Die Datengrundlage ist für alle Normgruppen zu klein.
Der erreichbare Höchstwert liegt je nach Index bei IQ = 155 bis IQ = 160.
2.2 Eignung als Screening
Als Screening nicht geeignet
Nicht als Gruppentest durchführbar.
Durchführungszeiten durchschnittlich zwischen 56 und 73 Minuten (10 primäre Subtests) oder 39 und 56 Minuten (7 Subtests zur Berechnung des Gesamt-IQ).
2.3 Eignung zur Profilerstellung
Fähigkeitsprofil kann erstellt werden
Analyse individueller Stärken oder Schwächen über den Vergleich eines Index- oder Subtestwertes mit dem Gesamt-IQ bzw. Mittelwert der primären Indexwerte sowie über Diskrepanzvergleiche zwischen Indizes, Subtests oder zwischen Prozesswerten.
Angabe von kritischen Differenzen und Grundraten der Differenzwerte vorhanden.
2.4 Eignung für die Schullaufbahnberatung
Für Schullaufbahnberatung eingeschränkt geeignet
Mehrdimensionaler, traditionsreicher Test mit Altersnormen für Personen im Schulalter.
Keine schulartspezifischen Normen.
Keine Angaben zur Kriteriumsvalidität im Hinblick auf Schulleistungen.
Keine Fallbeispiele oder Interpretationshilfen im Kontext der Schullaufbahnberatung.
2.5 Eignung für Selektionsentscheidungen
Angaben zur Beurteilung der Eignung für Selektionsentscheidungen nicht ausreichend
Sehr gute Reliabilitäten der Indizes und des Gesamtwertes und damit genaue Messung und relativ kleine Konfidenzintervalle.
Hinweis im Manual auf Deckeneffekte bei 7 Subtests (GF, WT, AW, AV, MT, ZN & BZF).
Fehlende Angaben zu Itemschwierigkeiten und Testwertverteilungen.
3 Normierung
3.1 Vorbemerkungen
Keine speziellen Hinweise
3.2 Aktualität der Normen
Aktualität der Normen gegeben
Normierung: Oktober 2015 bis September 2016
Alternsnormen: Wertpunktäquivalente für Rohwertsummen in den Subtests, Indexwerte (IQ-Normen) für Wertpunktsummen in den Indizes und für den Gesamt-IQ mit Vertrauensintervallen und PR.
Aufteilung der Normgruppen nach Alter in Drei-Monats-Intervallen; insgesamt 33 Normgruppen (pro Altersjahrgang wurden n = 100 Testpersonen angestrebt; Angaben zur Größe der Normgruppen fehlen).
Testalteräquivalente für Rohwertsummen der Subtests und der Prozesswerte.
3.3 Repräsentativität der Normen
Repräsentativität der Normen gegeben
n = 1.087, 6;0 bis 16;11 Jahre.
Die Normstichprobe wurde unter Bezug auf Angaben des statistischen Bundesamtes nach Geschlecht, elterlichem Bildungshintergrund, besuchter Schulform, regionaler Herkunft und Migrationshintergrund geschichtet.
Stichprobenrekrutierung über Pressemitteilungen und Ansprache von Kindergärten und Schulen.
4 Objektivität
4.1 Vorbemerkungen
Die WISC-V ist ein komplexes und aufwändiges Verfahren, so dass die Objektivität in besonderer Weise von der Qualifikation der Testleiterin bzw. des Testleiters abhängt.
4.2 Durchführungsobjektivität
Durchführungsobjektivität gegeben
Standardisierte Instruktionen sowie genaue und ausführliche Beschreibungen und Anleitungen zur Testdurchführung vorhanden.
4.3 Auswertungsobjektivität
Auswertungsobjektivität weitestgehend gegeben
Genaue Angaben zum Ausfüllen des Protokollbogens sowie der Auswertungsschablonen und genaue Auswertungshinweise inklusive Auswertungsbeispiele vorhanden; Testauswertung jedoch komplex und dadurch ggf. fehleranfällig.
Computergestütztes Auswertungsprogramm vorhanden (muss zusätzlich erworben werden).
4.4 Interpretationsobjektivität
Interpretationsobjektivität gegeben
Normwerte sowie ausführliche Interpretationshinweise für die Testleistung und zur Durchführung und Interpretation einer optionalen Prozessanalyse und einer Profilanalyse vorhanden.
5 Reliabilität
5.1 Vorbemerkungen
Keine speziellen Hinweise
5.2 Paralleltest-Reliabilität
Paralleltest-Reliabilität entfällt
Kein Paralleltest vorhanden.
5.3 Testhalbierungsreliabilität
Testhalbierungsreliabilität eingeschränkt gegeben
Keine Angaben für Indizes und Gesamt-IQ.
Sehr gute Split-half-Reliabilitätskoeffizienten (.83-.93; minderungskorrigiert nach Spearman-Brown) für die Subtests (nicht berechnet für Geschwindigkeitstests ZST, SYS & DT).
5.4 Retest-Reliabilität
Retest-Reliabilität gegeben
Zweimalige Testung von 94 Personen mit durchschnittlichem Abstand von 26 Tagen zwischen Testungen.
Hohe Stabilitäten der Indizes (.72-.88), des Gesamt-IQ (.90) und der Subtests (.73-.84) (Korrelationen jeweils korrigiert um Gesamtvarianz der Normierungsstichprobe).
5.5 Interne Konsistenz
Interne Konsistenz gegeben
Sehr gute Konsistenzwerte für die Indizes (.89-.95) und den Gesamt-IQ (.96).
Keine Angaben für die Subtests.
5.6 Profilreliabilität
Keine Angaben zur Profilreliabilität
6 Validität
6.1 Vorbemerkungen
Keine speziellen Hinweise
6.2 Konstruktvalidität
Konstruktvalidität eingeschränkt gegeben
Stützung der angenommenen Intelligenzstruktur mit einem g-Faktor und fünf untergeordneten spezifischeren Faktoren durch erwartungskonforme Interkorrelationen der Subtests und Indizes sowie konfirmatorische Faktorenanalysen. Gesamt-IQ und Index Fluides Schlussfolgern sind in konfirmatorischer Faktorenanalyse allerdings perfekt assoziiert, womit eine Differenzierung beider Konstrukte erschwert ist.
Personen mit intellektueller Hochbegabung (n = 21) zeigen höhere Leistungen (keine bedeutsamen bis große Effekte) und Personen mit intellektueller Minderbegabung (n = 25) zeigen deutlich geringere Leistungen (große Effekte) in der WISC-V als nach Alter, Geschlecht und Bildungshintergrund parallelisierte Kontrollgruppen.
Abschließende Beurteilung der Konstruktvalidität aufgrund fehlender Angaben (z. B. zum Zusammenhang mit Außenkriterien) nicht möglich.
6.3 Kriteriumsvalidität
Kriteriumsvalidität eingeschränkt gegeben
Zusammenhänge mit anderen Intelligenztests
WISC-IV (Petermann & Petermann, 2011): n = 83; hohe Korrelation der Gesamt-IQs (.89), Indizes (.62-.81) und Subtests (.64-.77).
WPPSI-III (Petermann, Ricken, Fritz, Schuck & Preuß, 2014): n = 32; hohe Korrelation der Gesamt-IQs (.89), niedrige bis hohe Korrelation der Indizes (.15-.79) und mittlere bis hohe Korrelation der Subtests (.31-.79).
WAIS-V (Petermann, 2012): n = 31; hohe Korrelation der Gesamt-IQs (.78), Indizes (.69-.84) und mittlere bis sehr hohe Korrelationen der Subtests (.31-1.00).
KABC-II (Kaufmann & Kaufmann, 2015): n = 84; hohe Korrelation von Gesamt-IQ mit Fluid-Kristallin-Index der KABC II (.83) und mittlere bis hohe Korrelationen mit den weiteren KABC-II Indizes (.53-.76); Korrelation der Indizes mit den verschiedenen KABC-II Indizes theoriekonform niedrig bis hoch (.10-.74).
Keine Angaben zu Zusammenhängen mit Außenkriterien wie Schulleistungen.
6.4 Prognostische Validität
Angaben zur prognostischen Validität fehlen
7 Ökonomie
7.1 Vorbemerkungen
Keine speziellen Hinweise
7.2 Durchführungsökonomie
Durchführung weitestgehend ökonomisch
Durchführungszeit variiert mit Intelligenz und Alter der Testperson sowie mit der Anzahl der Subtests: mittlere Durchführungszeit für zehn primäre Subtests 56-73 Minuten, für sieben Subtests zur Berechnung des Gesamt-IQ 39-56 Minuten.
7.3 Auswertungsökonomie
Auswertung weitestgehend ökonomisch
Keine Angaben zur Dauer der manuellen Auswertung, jedoch aufgrund der vielfältigen Auswertungsmöglichkeiten schätzungsweise 15-20 Minuten pro Testperson.
Die Auswertung kann durch das computerbasierte Auswertungsprogramm erleichtert werden.
8 Weiterführendes
8.1 Vorgängerversion
Petermann, F. & Petermann, U. (Hrsg.) (2011). WISC-IV. Wechsler Intelligence Scale for Children - Fourth Edition. Übersetzung und Adaptation der WISC-IV von David Wechsler. Frankfurt a. M.: Pearson Assessment.
8.2 Literaturangaben
Petermann, F. & Petermann, U. (Hrsg.) (2011). WISC-IV. Wechsler Intelligence Scale for Children - Fourth Edition. Übersetzung und Adaptation der WISC-IV von David Wechsler. Frankfurt a. M.: Pearson Assessment.
Petermann, F., Ricken, G., Fritz, A., Schuck, K.-D. & Preuß, U. (Hrsg.) (2014). Wechsler Preschool and Primary Scale – Third edition. Deutschsprachige Adaption nach D. Wechsler (3. überarbeitete und erweiterte Aufl.). Frankfurt a. M.: Pearson Assessment.
Petermann, F. (Hrsg.) (2012). WAIS-IV. Wechsler Adult Intelligence Scale – Fourth Edition. Deutschsprachige Adaptation der WAIS-IV von D. Wechsler. Frankfurt a. M.: Pearson Assessment.
Kaufman, A. S. & Kaufman N. L. (Dt. Bearbeitung von P. Melchers & M. Melchers) (2015). KABC-II: Kaufman Assessment Battery for Children-II. Frankfurt a. M.: Pearson Assessment.