Archiv Hochbegabungs-Blog

Allgemein
< Zurück zur Übersicht des Blog-Archivs

Welchen Test zur Hochbegabungsdiagnostik verwenden?

Vielleicht haben es die einen oder anderen schon entdeckt: Im Fachportal Hochbegabung gibt es nun ein neues Modul "Intelligenztests"! Insgesamt werden hier die 25 gängigsten IQ-Tests sehr detailliert vorgestellt und kritisch besprochen. Besonders interessant: Das Portal bietet vermutlich die kompakteste aktuell verfügbare Übersicht darüber, inwiefern die verschiedenen Tests zur Hochbegabungsdiagnostik geeignet sind.

Oktober 2015

Von: Prof. Dr. Tanja G. Baudson


Vielleicht haben es die einen oder anderen schon entdeckt: Im Fachportal Hochbegabung gibt es nun ein neues Modul "Intelligenztests"! Insgesamt werden hier die 25 gängigsten IQ-Tests sehr detailliert vorgestellt und kritisch besprochen. Besonders interessant: Das Portal bietet vermutlich die kompakteste aktuell verfügbare Übersicht darüber, inwiefern die verschiedenen Tests zur Hochbegabungsdiagnostik geeignet sind. Das Modul findet sich im Fachportal unter der Rubrik "Diagnostik". Besonders richtet es sich natürlich an die in der Begabungsdiagnostik tätigen Psychologinnen und Psychologen, die sich hier detailliert darüber informieren können, wie gut die gängigen Intelligenztests überhaupt sind und vor allem, inwiefern sie brauchbar für die Diagnostik intellektueller Hochbegabung sind. Die einzelnen Rezensionen folgen immer dem selben Schema: Nach einer Beschreibung des Tests (Zielsetzung, Aufbau und Quellenangaben) folgt eine Übersicht über die Anwendbarkeit in der Hochbegabungsdiagnostik. Hier gibt es verschiedene Anlässe, die jeweils separat abgehandelt werden: Will man erste Hinweise erhalten (Screening), geht es um die Erkundung individueller Stärken (Profilerstellung), um die Frage, wie es in der Schule weitergehen soll (Schullaufbahnberatung) oder darum, ob ein Kind oder Jugendlicher beispielsweise für eine spezielle Begabtenfördermaßnahme geeignet ist (Selektionsentscheidungen)? Das ist aus meiner Sicht wirklich gelungen, denn mit diesem speziellen Fokus gab es eine solche Übersicht bislang noch nicht. Darüber hinaus liefern die Rezensionen Informationen zu den Gütekriterien insgesamt: Wie aktuell und wie repräsentativ ist die Vergleichsgruppe, ist der Test objektiv, misst er genau, und misst er valide? Auch Informationen zur Ökonomie der Durchführung und Auswertung gibt es, außerdem weiterführende Literatur. Für diejenigen, die alles auf einen Blick haben wollen, gibt es auch Übersichtstabellen, in denen die Informationen kurz und knapp präsentiert werden. Das ist insbesondere dann nützlich, wenn man ein Verfahren für eine spezielle diagnostische auswählen oder plant, einen neuen Test zu erwerben, und sich erst mal kurz und knackig informieren will. Die Symbole sind intuitiv verständlich: Ein Haken (check) bedeutet, dass alles so ist, wie es sein sollte; ein Ausrufezeichen (!) heißt, dass man etwas beachten muss, und ein Fragezeichen (?), dass die Information dem Manual nicht ganz eindeutig zu entnehmen ist. Die Symbolik zieht sich durch das gesamte Modul, sodass die Orientierung leicht fällt. Alles in allem bin ich ziemlich begeistert – die Kolleginnen Preckel, Meier und Vogl haben meines Erachtens ganze Arbeit geleistet, und ich denke, die Informationen werden vielen Praktiker/innen von Nutzen sein. Und möglicherweise nicht nur denen: Auch für Eltern, die sich die Frage stellen, ob sie eine Hochbegabungsdiagnostik angehen wollen, kann es interessant sein, sich schon vorab über vorhandene Verfahren zu informieren. Tests, die Kindern und Jugendlichen heute leichter fallen als noch vor 10, 20 Jahren (Stichwort Flynn-Effekt), als Maßstab aber immer noch die alten Normen verwenden, produzieren überproportional viele Hochbegabte; auch Verfahren, die eher am unteren Ende der Verteilung genau differenzieren und deshalb relativ viele leichte, aber wenig schwere Aufgaben beinhalten, muss man kritisch auf mögliche Deckeneffekte überprüfen (mehr als alle Aufgaben lösen geht ja nun mal nicht, sodass die Differenzierung am oberen Ende entsprechend weniger genau ist). Jede Diagnose soll zur Beantwortung einer konkreten Frage beitragen – etwa "Soll mein Kind eine Klasse überspringen?" oder "Wo liegen die besonderen Stärken meines Kindes?" Mit falschen Diagnosen tut man niemandem einen Gefallen. Professionelles diagnostisches Handeln erfordert es, dass man sich mit seinem "Handwerkszeug" kritisch auseinandersetzt; und alle Klientinnen und Klienten, die diesbezüglich Rat suchen, verdienen es, dass man ihnen so professionell wie möglich Hilfe zuteil werden lässt; das gebietet aus meiner Sicht das berufliche Ethos. Ich denke, das Modul Intelligenztests kann dazu einen wertvollen Beitrag leisten.