Hochbegabung verstehen

Kita

Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit Eltern in der Kita

In diesem Videobeitrag geht es um niedrigschwellige Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit Eltern in der Kita. Wir gehen der Frage nach, wie eine gute Zusammenarbeit mit Eltern in Bezug auf die Begabungsförderung von Kita-Kindern konkret gestaltet werden kann und welche Methoden bei der Umsetzung angewendet werden können. Lisa Pohlmeier, Projektleiterin im Bereich Kita in der Karg-Stiftung, spricht darüber mit Kerstin Schmidt und Marius Jolitz vom CJD Familienzentrum für inklusive Begabungsförderung (Hannover).

Von: Lisa Pohlmeier


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Transkript

Lisa Pohlmeier: Herzlich willkommen zu unserem heutigen Interview. Wir freuen uns, dass Kerstin Schmidt und Marius Jolitz vom CJD Familienzentrum für inklusive Begabungsförderung uns gleich ihre Ergebnisse aus einem Projekt vorstellen werden, an dem das Familienzentrum in den letzten zwei Jahren gearbeitet hat.

Die Karg-Stiftung hat im Bereich Kita in den letzten zwei Jahren einen Schwerpunkt in der begabungsgerechten Förderung von jungen Kindern gesetzt. Das Ziel war hierbei, Good-⁠Practice-⁠Beispiele, also aus der Praxis für die Praxis, zu erarbeiten.

Das Familienzentrum leistet als Modelleinrichtung einen wichtigen Beitrag zum Thema Bildungs- und Begabungsgerechtigkeit. Insgesamt drei Einrichtungen arbeiten an unterschiedlichen Modellprojekten in diesem Thema, sodass wir vielfältige Erkenntnisse gewinnen können. Denn wenn Begabungen von Kindern unabhängig von ihrer Herkunft und in ihrer Vielfalt früh erkannt und gefördert werden, kann Benachteiligungen wirksam entgegengewirkt und Inklusion gelebt werden.

Das CJD Familienzentrum ist seit vielen Jahren eng mit der Karg-⁠Stiftung verbunden, denn sie widmet sich in besonderer Weise der frühen Begabungsförderung und ist auf diesem Gebiet eine wahre Modell-Kita. So hat das Familienzentrum sich im Rahmen unseres Projektes speziell mit der Frage beschäftigt, wie niedrigschwellige Zusammenarbeit mit Eltern im Bezug auf die Begabungs- und Begabtenförderung gelingen kann. Und wir freuen uns, dass Sie heute hier sind und mit uns Ihre Erfahrungen teilen.

Kerstin Schmidt: Vielen Dank für die Einladung.

Marius Jolitz: Dankeschön.

Marius Jolitz: Mein Name ist Marius Jolitz. Ich bin Erziehungswissenschaftler und Mitglied im Leitungsteam des CJD Familienzentrums.

Kerstin Schmidt: Hallo, ich bin Kerstin Schmidt und ich bin die Einrichtungsleitung vom Familienzentrum.

Lisa Pohlmeier: Warum ist es wichtig, Eltern für die Begabung ihrer Kinder zu sensibilisieren?

Kerstin Schmidt: Das elterliche Umfeld spielt in der Begabungsförderung eine zentrale Rolle, denn nichts richtet den weiteren Bildungsverlauf eines Kindes so sehr aus, wie die soziale Herkunft beziehungsweise das familiäre Umfeld; und damit verbunden sind dann die Möglichkeiten der Forderung und der Förderung eines Kindes, damit es seine Begabungen und sein Potenzial voll entfalten kann.

Marius Jolitz: Darüber hinaus ist das Recht auf Bildung in den UN-Kinderrechtskonventionen für ein jedes Kind klar definiert, und wir sehen es als unsere Aufgabe an, diese Bildung möglichst begabungs- und stärkenentsprechend zu gestalten. Und es ist natürlich auch Teil unseres Erziehungs- und Bildungsauftrages als Kita, mit den Eltern im Gespräch zu sein, über die Stärken und Begabungen ihrer Kinder.

Lisa Pohlmeier: Ihre Kita legt großen Wert auf niedrigschwellige Zusammenarbeit mit Familien. Was ist damit gemeint?

Marius Jolitz: Unser Ziel ist es natürlich, dass alle Familien ungeachtet ihrer sozialen Herkunft, ihrer Sprache, dass alle Familien an den Angeboten, die wir anbieten, teilnehmen können. Und hier ist es natürlich wichtig, die Barrieren, die es da möglicherweise geben könnte, wie zum Beispiel sprachliche Barrieren, möglichst zu umgehen und somit die Schwelle zu senken, an unseren Angeboten teilzunehmen.

Lisa Pohlmeier: Welche Bedeutung hat die niedrigschwellige Elternarbeit in Bezug auf Begabungs- und Begabtenförderung von Kindern in Ihrer Kita?

Kerstin Schmidt: Die Niedrigschwelligkeit von Elternarbeit ist ganz besonders relevant für Kinder, deren Familien nicht hauptsächlich Deutsch als Herkunftssprache haben, Deutsch als Muttersprache haben, die eher aus einem bildungsarmen Umfeld stammen oder besonders belastet sind. Da ist es unsere Aufgabe als Kita, hier eine gute Erreichbarkeit, eine gute Erreichbarkeit in Form von Niedrigschwelligkeit herzustellen, sodass Kinder dann auch ihre Potenziale voll entfalten können, in dem Moment, wo ich Eltern für die Begabung ihrer Kinder sensibilisiere.

Marius Jolitz: Und durch unsere Öffnung in den Stadtteil hinein und dadurch, dass unsere Angebote für alle Familien des Stadtteils geöffnet sind, erreichen wir natürlich Kinder und Familien mit unseren Angeboten, die ansonsten, auch entwicklungsschnelle und hochbegabte Kinder, die ansonsten von unseren Angeboten nicht profitieren könnten.

Lisa Pohlmeier: Können Sie uns von konkreten Beispielen berichten, wie niedrigschwellige Zusammenarbeit mit Familien bei Ihnen aussieht?

Kerstin Schmidt: Eine wertschätzende Willkommenskultur ist selbstverständlich. Das Motto unserer Einrichtung lautet „Vielfalt bereichert“. Und uns ist es einfach wichtig, dass wir ein offenes und tolerantes Klima in unserer Einrichtung haben. Dies gelingt uns mit einem Elterncafé, und dieses Elterncafé dient zu einem ganz regen Austausch. Die Familien können ein Stückchen ihrer eigenen Heimat auch mit ins Familiencafé bringen, in Form von einem internationalen Frühstück, in Form von internationalem Kochen. Und dadurch gelingt es uns einfach, dass die Familien, dass wir die Familie näher kennenlernen und auch die Fachkräfte die Familien näher kennenlernen, etwas über die Herkunft wissen und so natürlich ganz anders auf die Familien zugehen können und auch auf die Kinder zugehen können. Wodurch dann wieder auch eine begabungsgerechte Förderung entstehen kann.

Marius Jolitz: Ein weiteres Beispiel für unsere niedrigschwellige Arbeit ist unsere Kinder-Akademie Fantasticus. In der Kinder-Akademie gibt es Kurse zu unterschiedlichen Lern- und Bildungsbereichen, die kostenfrei sind für die Familien. Auch hier ist uns die Niedrigschwelligkeit total wichtig. Wir gehen auf die Eltern zu, bewerben die Kurse für die Kinder, je nach individueller Stärke und Begabung.

Kerstin Schmidt: Dieses aktive Zugehen, was Du eben schon ganz gut angesprochen hast, Marius, das machen wir natürlich auch in Form von Informationsveranstaltungen, die wir zum Beispiel direkt vor unserer Einrichtung durchführen. In Abholsituationen gehen wir auf die Eltern zu. Wir machen ganz regelmäßig, einmal im Jahr, einen großen, eine große Informationsveranstaltung zum Thema Begabungsförderung, direkt vor unserer Kita.

Marius Jolitz: Darüber hinaus bieten wir an, Elterngespräche zu übersetzen. Es gibt bei uns im Haus ja auch eine begabungspsychologische Beratungsstelle. Auch hier bieten wir es an, dass einzelne Testbereiche in die best gesprochene Sprache des Kindes übersetzt werden. Wir bieten zudem an, in Kooperation mit der Karg-⁠Stiftung, dass einkommensschwache externe Familien die Möglichkeit haben, dass ihr Kind kostenlos getestet wird. Genau.

Lisa Pohlmeier: Wie schaffen Sie es, Eltern dabei zu unterstützen, die Begabungsentfaltung ihrer Kinder im familiären Kontext zu begleiten?

Kerstin Schmidt: Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ist hierbei die Basis und die schaffen wir, indem wir oftmals auch anlasslose Gespräche führen, im Elterncafé oder aber auch in Tür-und-Angel-Gesprächen, um möglichst Eltern gut kennenzulernen. Und dann, um dann mit ihnen noch tiefer ins Gespräch zu gehen. In diesen Beratungsgesprächen, die wir eben auch anbieten, haben wir, stellen wir Spielelisten zur Verfügung. Wir haben all unsere Spiele den unterschiedlichen Intelligenzbereichen eines Kindes zugeordnet und können dann auch dementsprechend gucken, ok, welche Stärken hat das Kind, und das können wir den Eltern dann dementsprechend auch in den Elterngesprächen sagen und können ihnen dann auch direkt diese, also den sogenannten Spielebeutel mit nach Hause geben.

Ja, und ansonsten gibt es noch eine Familienbücherei bei uns im Familienzentrum. Es ist uns wichtig, Lust auf Lesen zu wecken, das hat auf die Begabungsentfaltung eines Kindes, eine zentrale Rolle spielt lesen dabei, und es gibt aber in dieser Familienbücherei eben nicht nur Kinderbücher, sondern es gibt Erziehungsratgeber, es gibt Fachliteratur. Und hier beraten wir Eltern eben auch. Sie können auch direkt bei uns Bücherbeutel bestellen, zu bestimmten Themenbereichen.

Marius Jolitz: Und die eben schon angesprochene Kinder-Akademie Fantasticus umfasst auch Kurse, die gemeinsam mit den Familien stattfinden, das heißt beispielsweise Familien-Schach-Angebote oder Familien-Knobel-Angebote, in denen die Eltern mit ihren Kindern zusammen Dinge lernen können und das Gelernte dann in den familiären Kontext übertragen können.

Das stärkenorientierte Beobachtungsverfahren nach dem Early-Excellence-Ansatz, nach dem wir arbeiten, umfasst ein Beobachtungsbuch, das im Laufe dieses Beobachtungsprozesses erstellt wird. Und das ist dann die Grundlage für die ressourcenorientierten Elterngespräche, die wir führen. Und besonders die Verbildlichung der Stärken, die ein Kind hat, in diesem Beobachtungsbuch bietet eine total gute Grundlage, wie gesagt, für die Elterngespräche, weil die Eltern eben dann auch die Stärken ihrer Kinder noch mal verbildlicht bekommen.

Lisa Pohlmeier: Was würden Sie resümierend sagen ist zentral, um die Begabungsgerechtigkeit in der frühen Kindheit herzustellen?

Marius Jolitz: Zusammenfassend ist es unabdingbar, die Stärken eines jeden Kindes zu achten und es darin zu fördern. Eine Defizitorientierung birgt die Gefahr, dass die Stärken eines Kindes von den Defiziten in der Wahrnehmung überdeckt werden.

Kerstin Schmidt: Und durch die Ressourcenorientierung der Fachkräfte passiert ganz oftmals auch eine Übertragung auf die Eltern. Die Eltern haben durch diesen ressourcenorientierten Blick der Fachkräfte oftmals auch einen positiven ressourcenorientierten Blick auf ihr Kind, was dann wieder einen unmittelbaren Einfluss hat auf die eigene Bildungsbiografie. Deshalb ist es uns eine Herzensangelegenheit, Begabungs- und Bildungsgerechtigkeit herzustellen, durch eine offene Begegnung mit allen Menschen unterschiedlicher Sprachen, unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlicher Nationalitäten.